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Parlamentarisches Profil : Der Eigene: Andreas Mattfeldt

30.03.2020
2023-08-30T12:38:15.7200Z
3 Min

D en Abgeordneten Andreas Mattfeldt erwischt man telefonisch auf dem Weg nach Berlin, gleich steigt er in Hannover in den ICE. "Ich nehme eigentlich immer den Zug, die Verbindung ist gut", sagt er und zeigt sich wegen Corona "wenig bange, wir Jungs vom Lande kennen die Gefahren von Viren und halten Abstand". In der Hauptstadt warten Krisensitzungen auf ihn, denn der Bundestag muss auf die Wirtschaftskrise reagieren. "Wir versuchen das abzufedern", sagt Mattfeldt, "ich hab die Unterlagen für ein Maßnahmenpaket im Gepäck".

Im Kern geht es um Cash. "Kein gesundes Unternehmen darf wegen Corona-Folgen in Insolvenz geraten", gibt Mattfeldt als Ziel vor. Betriebe sollen mit liquiden Mitteln versorgt werden, "das hilft für ein bis drei Monate, dann aber muss die Realität wieder zurückkehren". Und er fürchtet, dass alles länger dauern könnte: die Rückzüge, die Stillstände - "es geht gerade in einer Dimension runter, dass wir uns besinnen und uns vielleicht auf geringere Lebensqualitäten einstellen müssen". Von der Agentur für Arbeit aus seinem Wahlkreis hört er von vielen Anfragen auf Kurzarbeitergeld, "mit einer höheren Arbeitslosenquote rechne ich schon".

Wenn man Mattfeldt fragt, was er studiert hat, antwortet er gern zugespitzt, er sei Schlachter. Jedenfalls ist der Industriekaufmann der Mann für ungeschönte Worte. Seinen Wahlkreis Osterholz-Verden gewann er 2009 für die CDU - eine Sensation, war dies doch seit 1945 eine Bank für die SPD gewesen. Sein Mandat verteidigte er, der in der Lebensmittelbranche und danach als Bürgermeister gearbeitet hatte, seitdem ohne sicheren Listenplatz. Denn in der niedersächsischen CDU hat er den Ruf eines Querdenkers. Das macht ihn unabhängig, zu einer Art Christian Ströbele der Union oder einem "Betriebsunfall aus CDU-Sicht". Dabei passt er schlicht nicht in Muster: Konservativ bei sicherheits- und wirtschaftspolitischen Themen wie Friedrich Merz, aber eben auch, im Gegensatz zum Sauerländer, liberal wie bei der Ehe für alle. Mattfeldt beschreibt man am besten als regional verwurzelt.

Rasch erwähnt er Leute, die man kennt und die er duzt. Mattfeld, der Mann mit dem kurzen Draht, der keine Schwurbelsätze spricht und Monologe meidet. Der auch mit denen aus anderen Fraktionen ein Bierchen trinkt, eben ein "klassischer Parlamentarier - ich will kein Staatssekretär oder Sprecher von irgendetwas werden. Früher hatten die Abgeordneten mehr Selbstachtung, dabei ist es doch das Parlament, das sich eine Regierung hält und nicht andersrum."

Das wiederum bringt ihn zurück zum Schlachter. Als Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Fernsehansprache den Kassenkräften in den Märkten dankte, überfiel ihn ein kleiner Schauer. "Merkel hat verstanden: Wenn die nicht mitziehen, bricht die Versorgung zusammen. Wir können das Land nicht nur mit Juristen und Politologen regieren. Kassenkräfte sind da in der Krise anscheinend systemrelevanter."

Und glaubt man, Mattfeldt in eine gedankliche Schublade gesteckt zu haben, springt er wieder heraus. Der Wirtschaftsliberale hat zum Beispiel dem Fracking den Kampf angesagt - erfolgreich, eine "Mattfeldt-Gruppe" aus Unionsabgeordneten hat sich um ihn gebildet; die Erdstöße in seinem Wahlkreis hatte er als erster CDU-Politiker mit Gasbohrungen in Verbindung gebracht, damals lachte man ihn noch aus. Heute hört man hin. "Ich bin halt nicht für eine bestimmte Industriebranche gewählt worden." Es herrscht ein Moment Stille. "Aber ein grüner Spinner bin ich auch nicht." Schubladen sind eher was für andere.

Der Zug erreicht Wolfsburg. Mattfeldt sieht der VW-Fabrik hinterher, "da stehen jetzt auch die Bänder still". Das Gesundheitssystem habe die Corona-Krise im Griff, sagt er und spricht sich für das Einfliegen von erkrankten Patienten aus Nachbarländern aus. "Nur den großen Existenzängsten gerade der kleinen Unternehmen müssen wir rasch beikommen." Die Schuldenbremse des Bundes ist gelöst, ein Schutzschirm soll her. Noch 67 Minuten bis Berlin-Hauptbahnhof. Jan Rübel