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BILDUNG : Armutszeugnis

Die Gelder aus dem Digitalpakt fließen nur langsam ab. Es liegt an der Bürokratie, meint die FDP

06.07.2020
2023-08-30T12:38:19.7200Z
4 Min

Es war ein zäher Kraftakt bis der sogenannte Digitalpakt auf den Weg gebracht werden konnte. Erst im März vergangenen Jahres hatte der Bundesrat nach langem Hin und Her der nötigten Änderung des Grundgesetzartikels 104c zugestimmt, damit der Bund sich an den Kosten für die Digitalisierung von Deutschlands Schulen beteiligen kann. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer störten sich daran, dass sich die Länder ab 2020 an Programmen des Bundes für die Länder zur Hälfte beteiligen müssen. Nachdem der Bund diese Forderung zu Gunsten individueller Regelungen zwischen Bund und Ländern aufgegeben hatte, gaben die Ministerpräsidenten ihren Widerstand auf. Mit immerhin 5,5, Milliarden Euro kann sich der Bund an den Kosten für die Digitalisierung der Schulen beteiligen.

Doch bislang fließt das bereitgestellte Geld aus dem Digitalpakt nur sehr zögerlich ab. Lediglich 125 Millionen Euro seien bislang an die Schulen ausbezahlt worden, monierte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding am vergangenen Donnerstag im Bundestag. Die Liberalen machen vor allem bürokratische Hürden dafür verantwortlich und brachten deshalb einen Antrag (19/20582) ein, in dem sie eine Beschleunigung und Verschlankung der Antragsverfahren fordern.

Kritik an Karliczek Maßgeblich verantwortlich für den nur zähen Mittelabfluss sei aber auch Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU), monierte Suding in der Debatte über den Antrag. Statt einen Weg zu finden, wie das Geld an die Schulen komme, zucke Karliczek lediglich mit den Schultern und zeige auf die Länder. "Das ist Arbeitsverweigerung", hielt Suding der Ministerin vor. Den Schulen in Deutschland fehle es schlicht am Nötigsten für einen digitalen Unterricht: Es existierten "keine didaktisch ansprechenden digitalen Lerninhalte, keine funktionierenden Lernplattformen, um Übungsaufgaben hochzuladen, keine Lernmanagementsysteme, um den Lernfortschritt zu beobachten", zählte Suding auf. Während der Corona-Krise und den damit verbundenen Schulschließung hätten sich diese Defizite schonungslos offenbart. "Das System Schule ist vor unser aller Augen zusammengebrochen", sagte Suding. In anderen Ländern habe der Unterricht hingegen "von heute auf morgen digital stattfinden" können, behauptete die Abgeordnete.

Unterstützung bekamen die Liberalen aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen. Allerdings sei schon vor der Corona-Krise klar gewesen, dass die meisten Schulen bei der Digitalisierung "noch ganz am Anfang stehen", stellte Margit Stumpp (Grüne) klar. Ein Grund dafür sei die Struktur des Bildungsföderalismus und eine unfaire Verteilung der Lasten: "Arme Kommunen, die das Geld für Digitalisierung nicht hatten, werden jetzt bei wegbrechenden Steuereinnahmen noch weiter unter Druck geraten." Deshalb sei es auch völlig unverständlich", dass der Bildungsbereich beim riesigen Konjunkturpaket vergleichsweise wenig abbekommen habe. "Wir hoffen mit der FDP auf die Einsicht, dass Entbürokratisierung tatsächlich nottut und Bildung endlich als gesamtpolitische Verantwortung verstanden wird.", sagte Stumpp. Deshalb stimme ihre Fraktion dem FDP-Antrag zu.

Verantwortung der Länder Die CDU-Abgeordnete Dietlind Tiemann räumte ein, dass der Digitalpakt "noch nicht in ausreichendem Maße umgesetzt sei", dass die Ausbildung der Lehrer "noch schleppend" vorangehe und dass Lerninhalte "noch nicht so digitalisiert sind und so zur Verfügung stehen, wie wir es brauchen würden". Dann allerdings holte die Unionsabgeordnete zum verbalen Gegenschlag aus: Die FDP versuche ja immer wieder, dem "Bund das zuzuschieben, was in der Verantwortung der Länder liegt". So habe die FDP in Nordrhein-Westfalen das Kultusministerium in der Hand, sei aber bei der Digitalisierung der Schulen nicht sehr weit gekommen. Bislang habe das Bundesland, das eine Milliarde Euro aus dem Digitalpakt abrufen könnte, erst 6,6 Millionen Euro abgerufen. "Wenn Sie meinen, Sie könnten es besser als alle anderen, dann könnten Sie das mal unter Beweis stellen", sagte Tiemann.

Die SPD-Parlamentarierin Marja-Liisa Völlers bescheinigte den Liberalen, sie machten es sich mit ihrem Antrag "ein bisschen einfach". Einerseits beklagten sie den langsamen Mittelabfluss aus dem Digitalpakt, forderten aber im gleich Atemzug bereits einen zweiten Digitalpakt. Da fehle die Logik. Völlers verwies ebenso wie die CDU-Abgeordnete Ronja Kemmer darauf, dass in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen der Digitalpakt gut umgesetzt werde. In diesen Ländern würden die Kultusminister von der CDU oder SPD gestellt, sagte Kemmer.

Lehrermangel Eine Abfuhr handelten sich die FDP für ihre Forderungen auch bei der AfD ein. Der Antrag gehe "völlig an der Realität unserer Schulen vorbei", befand Michael Espendiller (AfD). Die These, dass die Mittel aus dem Digitalpakt wegen zu komplizierter Vorschriften nicht abfließen würden, sei "steil". Wenn es die Schulen nicht schaffen sollten, "sich ein paar Seiten durchzulesen, die Anforderungen zu erfüllen, dann sollte man sie auch nicht auf unsere Kinder loslassen", sagte Espendiller. Die eigentlichen Probleme in den Schulen lägen auch an ganz anderen Stellen. In allen Schulformen herrsche Lehrermangel, die Klassen seien zu groß, die Lehrer bekämen nicht ausreichend Zeit für die Unterrichtsvorbereitung oder Weiterbildung. Grundsätzlich könne man sich ja gerne über digitale Lernkonzepte unterhalten, aber zuerst sei dafür zu sorgen, dass die Schüler "in den traditionellen Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens sattelfest sind", argumentiert der AfD-Abgeordnete.

Ganz ähnlich argumentierte auch Birke Bull-Bischoff von der Linksfraktion. Der "Hype" der FDP in Sachen Digitalisierung führe langsam "auf einen schrägen Pfad" und verstelle den Blick auf die zentralen Probleme des Bildungswesens: "Lehrermangel, der Mangel an Schulsozialarbeit, der Mangel an vernünftigen modernen inklusiven Schulgebäuden", zählte Bull-Bischoff auf.