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Nachhaltigkeit : Warten auf Taten

Der Bundestag widmet sich dem Handeln für künftige Generationen

21.09.2020
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4 Min

Er kommt ans Rednerpult, blickt ins Plenum und lächelt. Als Ralph Brinkhaus zur Auftaktrede im Bundestag ansetzt, wirkt er entspannt, erleichtert fast. Als ob der eigentliche Job schon geschafft wäre, und vielleicht ist er das auch: Zum ersten Mal stellt das Parlament den Großteil einer Sitzungswoche unter das Leitmotiv Nachhaltigkeit. "Wir mussten da aber auch Überzeugungsarbeit leisten", sagt der Fraktionschef von CDU/CSU über die internen Vorarbeiten der vergangenen Woche, mit "wir" meint er in diesem Fall Kollegen vom Fraktionspartner SPD. Nachhaltigkeit zählt zu den strapazierten Begriffen der jüngeren Zeit, schwammig, unkonkret, selbst als Marketing-Strategie taugt es nicht mehr. Der Bundestag indes hat sich zum Ziel gesetzt, Nachhaltigkeit zu hinterlegen; Großes soll ein Fundament aus kleinen Maßnahmen erhalten. Die in der vergangenen Woche angesetzten eineinhalb Debattentage zu diesem Thema zählen zu den Verabredungen im Zuge des Klimaschutzpakets.

Dass es bei diesem Thema mit der Zeit nicht unbedingt leichter werden dürfte, darauf ließ schon der Verlauf der auf eineinhalb Stunden angesetzten Generalaussprache zu Beginn schließen. Brinkhaus setzte an, dass große Ganze zu reflektieren, erinnerte an die Bedeutung von Entscheidungen, die die Generationen nach uns betreffen. "Ich denke, es tut uns allen gut, auch einmal ein wenig langfristiger zu denken." Nachhaltigkeit sei mehr als Klimapolitik, es gehe auch um Armut, Bildung, Gerechtigkeit und Technologie. Ziele, die die Union am liebsten mit wenig Regulierung und mehr Technologieoffenheit und Innovation erreichen möchte, wie Brinkhaus befand. Statt auf Verbote möchte er auf Marktinstrumente und Wettbewerb setzen - im Gegensatz zur SPD, wie deren Umweltexperte Matthias Miersch wenig später deutlich machte.

Man werde miteinander ringen müssen, was die Gewichtung von ökonomischen, ökologischen und sozial gerechten Belangen betreffe, befand Miersch. Sozialdemokraten definierten als Erstes, was dieser Staat leisten solle. "Und dann können wir gerne darüber reden, wie wir die Einnahmeseite gestalten, ob Schulden notwendig sind, ja oder nein." Das sei nachhaltige Entwicklung auch für künftige Generationen. Miersch sprach die Grundrente, die Bedeutung eines Lieferkettengesetzes, weniger Nitratbelastung und Mobilitätskonzepte als Bausteine von Nachhaltigkeit an. Unterm Strich gehe es darum, nachhaltige Entwicklung immer wieder konkret auf die Tagespolitik zurückzuführen.

Die Opposition schoss sich dann recht schnell auf ihre bewährten Argumentationslinien ein. AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel geißelte die Politik der Bundesregierung allgemein, von Klimamaßnahmen bis zur Migrationspolitik. "Sie vergeuden Abermilliarden Euro für die Illusion, Deutschland könnte durch die Schleifung seines industriellen Kerns das Klima beeinflussen", sagte sie etwa an CDU/CSU und SPD gerichtet über deren Klima- und Energiepolitik. Die Autoindustrie werde mutwillig ruiniert; die Maßnahmen zur Euro-Rettung und zur Coronakrise nannte Weidel "als Krisenbewältigung getarnten Geldsozialismus" der Europäischen Zentralbank.

FDP-Chef Christian Lindner brachte ins Gespräch, dass der Bundestag insgesamt das erste CO2-neutrale Parlament der Welt werden könnte oder sollte. Er stellte die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung beim Thema Klima in Frage und kehrte zu den eingeschworenen Leitlinien seiner Fraktion zurück: "Markt und Wettbewerb sind die besten Klimaschützer", sagte er. Vorstöße, sich vom Gedanken eines Wirtschaftswachstums zu verabschieden, fand er absurd. "Wir brauchen beides: ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit sowie eine prosperierende Wirtschaft."

.Die Linksfraktion unterstrich ihr Postulat der sozialen Gerechtigkeit und wurde konkret. Die Verkehrswende dürfe nicht zulasten derjenige gehen, die ohnehin wenig haben, sagte Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali. Es gehe nicht, dass Menschen Angst hätten vor energetischen Sanierungen, weil sie danach die Miete nicht mehr zahlen könnten. "Ohne soziale Sicherheit sind Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht zu erreichen", so Mohamed Ali.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter schließlich warf der Bundesregierung vor, die Bedrohung durch ökologische Krisen und Klimakrise nicht in ihrer Bedeutung verstanden zu haben. Seine Fraktion sei bereit, über Maßnahmen zu sprechen - nur müssten die auch kommen. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie müsse wieder anspringen können, zudem brauche es eine sozialökologische Transformation mit Unterstützung für die Beschäftigten in der Industrie. "Die Stahlindustrie sagt einem, sie wollen kein Handlungskonzept Stahl, sondern sie wollen endlich Handlungen", so Hofreiter.

Auf Worte sollen Taten folgen - dieser Ausdruck fiel so oder in ähnlicher Form mehrmals in der Debatte. Ob und in welchem Ausmaß,, das soll sich Brinkhaus zufolge künftig messen lassen: Der CDU-Politiker sprach von Verfahren, um Gesetze auf ihre Nachhaltigkeit überprüfen zu können, von einem Generationengerechtigkeitscheck für jedes Gesetz. Er appellierte an die Kontroll-Funktion des Parlaments, um Ziele zu überwachen und davon, dass der jetzige Auftakt Schule machen soll. Für kommende Legislaturperioden müsse klar sein: "Einmal im Jahr beschäftigt sich der Deutsche Bundestag intensiv und nachhaltig mit Nachhaltigkeit."