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Terror : »Geißel unserer Zeit«

Zusammenhalt der Gesellschaft angemahnt. Bundestag entfristet Geheimdienst-Befugnisse

09.11.2020
True 2023-08-30T12:38:25.7200Z
4 Min

Nach den jüngsten Terroranschlägen in Dresden, Frankreich und zuletzt in Wien hat die islamistische Bedrohung vergangene Woche gleich mehrere Plenardebatten des Bundestages beherrscht: Nur wenige Stunden nach einer Aktuellen Stunde mit dem Titel "Islamistischen Terror in Europa entschieden bekämpfen - Unsere freie Gesellschaft verteidigen" ging es um eine Entfristung von Anti-Terror-Befugnissen der Nachrichtendienste, kurz danach um die Einführung einer "vorbereitenden Ergänzungshaft" im Aufenthaltsgesetz (siehe Beitrag rechts); am Folgetag standen AfD-Initiativen zur Eindämmung des Islamismus auf der Tagesordnung.

Schon zu Beginn der Plenarberatungen gedachte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) am Mittwoch der Opfer der Terrorattacken. Erneut sei die "offene und freie Gesellschaft von fanatischem Hass heimgesucht" worden, beklagte der Parlamentspräsident und konstatierte: "Der islamistische Terror trifft Menschen wahllos, aber er zielt immer auf das Gleiche: auf die Freiheit des Glaubens, auch auf die Freiheit, nicht zu glauben. Auf unsere Art, zu leben. Auf unser Selbstverständnis." Die Anschläge meinten "die Werte, die uns in allen westlichen Gesellschaften einen", unterstrich Schäuble und mahnte die "Geschlossenheit des Westens" an, das "gemeinsame entschlossene Handeln, um unsere Freiheit und unsere Werte zu verteidigen".

Deren Verteidigung war auch in der Aktuellen Stunde ein fraktionsübergreifendes Motiv, allerdings mit teilweise sehr unterschiedlichem Zungenschlag. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte, auch wenn dem Land die größte Gefahr durch den Rechtsextremismus erwachsen sei, stelle der islamistische Terror nach wie vor eine "ungeheure Bedrohung" dar: "Mit Anschlägen muss auch bei uns jederzeit gerechnet werden". Der Kampf gegen "diese Geißel unserer Zeit" richte sich aber "nicht gegen den Islam, sondern gegen fanatischen und gewalttätigen Extremismus".

Martin Hess (AfD) sagte, niemand habe etwas gegen Muslime, die "unsere Grund- und Werteordnung teilen", doch hätten Islamisten "Europa den Krieg erklärt, und wir müssen jetzt endlich zurückschlagen". Alle islamistischen Gefährder seien abzuschieben, und wo dies nicht möglich sei, brauche man eine bundesweit einheitliche Rechtsgrundlage für einen längerfristigen Gefährdergewahrsam.

Ute Vogt (SPD) hielt Hess vor, mit Begriffen wie "zurückschlagen" Hass und Gewalt zu schüren. Dabei wolle der Terrorismus ja eben erreichen, dass die Gesellschaft gewalttätig wird. Genau dies gelte es aber zu verhindern, betonte Vogt und wandte sich gegen "alle antiaufklärerischen Tendenzen, die am Ende zu Fanatismus führen, ob von Rechtsextremisten, von Islamisten oder auch von Linksextremisten".

Stephan Thomae (FDP) sah für fanatischen Islamismus "keinen Platz in unserem Land". Man könne aber unterscheiden zwischen "gewalttätigem Islamismus und dem Islam - Menschen, die hier einfach friedlich in unserer Mitte leben wollen". In Deutschland könnten Menschen aller Religionen leben, müssten sich aber zu Toleranz und Weltoffenheit bekennen.

Amira Mohamed Ali (Linke) schilderte, dass sie als Muslima bei jedem islamistischem Anschlag auch immer die Sorge ergreife, "was das mit dem Bild vom Islam in unserer Gesellschaft macht". Statt "mit Hass und Hetze einen Generalverdacht gegen Muslime" zu verbreiten, dürfe es keinen Zweifel geben, "dass alle Muslime, die friedlich auf dem Boden unseres Grundgesetzes leben", gleichberechtigter und gleichwertiger Teil der Gesellschaft sind.

Konstantin von Notz (Grüne) sagte, Ziel der Terroristen sei es, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Wenn man dies zulasse, "gewinnen sie". Er verwies darauf, dass die meisten von Islamisten ermordete Menschen Muslime gewesen seien: "Deswegen ist die Chiffre der Rechtsextremisten und der Islamisten vom 'Religionskrieg' irreführend und falsch".

Marian Wendt (CDU) mahnte, als Christen, Juden, Muslime und Atheisten zusammenzustehen. Es gebe keinen "Kampf zwischen Christen und Muslimen", sondern zwischen der Mehrheit der Menschen, die sich für Frieden engagiere und in Freiheit leben wolle, "und denen, die die Welt brennen sehen wollen".

Verstetigt Gegen die Stimmen von FDP, Linken und Grünen verabschiedete der Bundestag einen Gesetzentwurf der Koalition "zur Entfristung von Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung" (19/23706). Damit werden bisher befristete Regelungen in den Gesetzen über die drei Nachrichtendienste des Bundes dauerhaft festgeschrieben. Dabei handelt es sich insbesondere um "Auskunftspflichten von Unternehmen der Branchen Luftverkehr, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Telemedien zur Netzwerkaufklärung sowie Regelungen zum IMSI-Catcher-Einsatz zur Feststellung genutzter Mobiltelefonnummern und zur Ausschreibung im Schengener Informationssystem zur Nachverfolgung internationaler Bezüge", wie Union und SPD in der Begründung ausführen. Der "praktische Bedarf für diese Regelungen und ihr angemessener Einsatz" sei in wiederholten Evaluierungen bestätigt worden, heißt es in der Vorlage weiter. Die aktuellen Herausforderungen insbesondere im Bereich des internationalen Terrorismus und des Rechtsterrorismus erforderten eine Verstetigung der ursprünglich mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom Januar 2002 eingeführten Befugnisse.

An die Ausschüsse überwiesen wurden AfD-Anträge, "Rechtsgrundlagen für einen Präventivgewahrsam auf Bundesebene für Gefährder" zu schaffen (19/23951) sowie eine Finanzierung radikal-islamischer Moscheevereine durch ausländische Staaten und Organisationen zu unterbinden und die Ausweisung ausländischer Geistlicher zu erleichtern, die zur Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen (19/23956). Ein AfD-Antrag, Ableger der Muslimbruderschaft verstärkt zu beobachten (19/17126), wurde abgelehnt.