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KIRCHEN : Die finanziellen Schatten Napoleons

FDP, Linke und Grüne fordern ein Ende der Staatsleistungen

09.11.2020
2023-08-30T12:38:25.7200Z
2 Min

Seit 217 Jahren zahlen der deutsche Staat und seine Rechtsvorgänger sogenannte Staatsleistungen an die Katholische und die Evangelischen Kirchen. Im vergangenen Jahr belief sich die Summe dieser Staatsleistungen auf rund 548 Millionen Euro, die allerdings nicht der Bund, sondern die Bundesländer aufbringen. Nach dem Willen von FDP, Linken und Bündnis 90/Die Grünen soll damit aber nun Schluss ein. Am vergangenen Donnerstag debattierte der Bundestag über einen gemeinsamen Gesetzentwurf der drei Oppositionsfraktionen (19/19273), mit dem Grundsätze für eine Ablösung dieser Staatsleistungen formuliert werden sollen.

Das Thema reicht weit in die Geschichte zurück. Die gezahlten Staatsleistungen stellen eine Entschädigung für Enteignungen von kirchlichem Besitz dar, die Jahrhunderte zurückliegen. Die meisten dieser Enteignungen ereigneten sich im Zuge der Besetzung der linksrheinischen deutschen Gebiete durch das napoleonische Frankreich und den Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Infolge der Säkularisation von Kirchenbesitz übernahmen weltliche Regenten die Unterhaltsverpflichtungen für die vormals geistlichen Regenten. In der Weimarer Reichsverfassung bekannte sich das Deutsche Reich zu dieser Verpflichtung, setzte sich aber zugleich den Verfassungsauftrag, ein Gesetz zur Ablösung dieser Staatsleistungen zu verabschieden. Die Bundesrepublik übernahm diese Verpflichtung bei ihrer Gründung in das Grundgesetz.

Fünfjahresfrist Mit ihrem Gesetzentwurf wollen die drei Oppositionsfraktionen nun die rechtlichen Grundlagen auf Bundesebene schaffen, damit die Bundesländer ihrer Pflicht zur Ablösung der Staatsleistungen rechtssicher nachkommen können. Mit dem Gesetzentwurf liege "zum ersten Mal ein fairer und vor allem realisierbarer Kompromiss" vor, um dem Auftrag des Grundgesetzes nachzukommen, betonte der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser. Konkret sieht der Gesetzentwurf vor, dass sich Länder und Kirchen innerhalb einer Frist von fünf Jahren auf eine Ablösung der Staatsleistungen einigen. Dabei sollen Einmalzahlungen oder Ratenzahlungen in der Höhe des 18,6-fachen der aktuellen Jahreszahlung möglich sein. Dies sollen die Länder individuell aushandeln.

Prinzipiell unterstützt wird das Anliegen auch von der AfD-Fraktion, die allerdings im Sommer dieses Jahres bereits einen eigenen Gesetzentwurf (19/19649) eingebracht hatte. Dieser sieht vor, die Staatsleistungen bis 2026 auslaufen zu lassen, wie Volker Münz (AfD) erläuterte. Dies bedeute, dass die Kirchen in den kommenden Jahren etwa 3,3 Milliarden Euro erhalten würden. Der Gesetzentwurf von FDP, Linken und Grünen ermögliche aber Zahlungen von bis zu zehn Milliarden Euro. Das sei zu viel, sagte Münz.

Bei den Koalitionsfraktionen wurde die Gesetzesinitiative mit Zurückhaltung aufgenommen. Immerhin bescheinigte Hermann Gröhe (CDU), dass der "Gesetzentwurf einen wichtigen Beitrag zu einer sachlichen Diskussion über einen notwendigen Schritt zur Umsetzung eines Verfassungsgebots darstellt".

Für die Sozialdemokraten betonte Lars Castellucci, dass die Staatsleistungen "kein Privileg" der Kirchen seien, sondern dass sie diese "aufgrund von Recht" erhielten. Seine Partei werde auch keinem Gesetz zustimmen, dass ohne vorherige Abstimmung mit den Kirchen und den Ländern auf den Weg gebracht werden soll.