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recht i : Wünsche und Werte

Erste Orientierungsdebatte für eine Neuregelung der Suizidhilfe. Mehrere Vorschläge werden diskutiert

26.04.2021
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4 Min

Die vom Bundestag 2015 beschlossene Neuregelung der Sterbehilfe hat gerade einmal fünf Jahre gehalten. Dann erklärte das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe und damit den Paragrafen 217 Strafgesetzbuch für nichtig. Die Regelung verletze das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, erklärten die Richter. Nun steht das Thema wieder auf der Tagesordnung des Parlaments. Vergangene Woche tauschten die Abgeordneten in einer Vereinbarten Debatte erstmals ihre Vorstellungen für eine Reform aus.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) warb zu Beginn für eine offene Diskussion. Bei dem Thema spielen Parteizugehörigkeiten traditionell eine geringere Rolle, weshalb wie schon 2015 mit konkurrierenden Gruppenanträgen gerechnet wird. Es gibt mittlerweile mehrere Initiativen: eine von der CDU, eine von FDP, SPD und Linken sowie eine von den Grünen.

Persönlichkeitsrecht Das Gericht hatte in seiner Urteilsbegründung erklärt, das Persönlichkeitsrecht umfasse auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Diese Entscheidung sei als ein Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren, hieß es. Der Gesetzgeber könne die Suizidhilfe gleichwohl regulieren. Es müsse aber sichergestellt werden, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibe.

Die Initiative der CDU um Ansgar Heveling und den früheren Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will, dass geschäftsmäßige Suizidhilfe grundsätzlich strafbar sein soll. "Dort, wo es um die autonome Entscheidung des Einzelnen geht, muss dessen Autonomie geschützt werden", sagte Heveling in der Debatte. Er halte es daher für richtig, die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe zu belassen, wie vom Bundestag 2015 beschlossen. Das Bundesverfassungsgericht lasse diesen Weg ausdrücklich offen. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, nur dort eine Rechtfertigung zuzulassen, wo die tatsächliche Autonomie der Entscheidung des Einzelnen zuverlässig festgestellt werden könne.

Beratungsangebot Katrin Helling-Plahr (FDP) betonte, dass der Gesetzgeber einen selbstbestimmten Sterbewunsch nicht nur respektieren, sondern sich an die Seite der Menschen stellen sollte, die selbstbestimmt sterben wollten. Der Bundestag solle deshalb ein verständliches und umfassendes Suizidhilfegesetz auf den Weg bringen. Dieses müsse ein flächendeckendes, niederschwelliges, hochwertiges, umfassendes und bevormundungsfreies Beratungsangebot beinhalten, das es jedem, der sich aus freiem Willen zum Freitod entschließe, ermögliche, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Zwar müssten Sicherungen ergriffen werden, "aber wir dürfen unsere eigenen Moralvorstellungen nicht über die individuelle Selbstbestimmung stellen", sagte Helling-Plahr.

Petra Sitte (Linke) erklärte, es müsse auch die Frage geklärt werden, wie Sterbewillige nach Beratungen legal an ein tödlich wirkendes Medikament kommen könnten. Sie mahnte, Maßstab einer gesetzlichen Regelung könne nicht sein, ob Abgeordnete persönlich für die Sterbehilfe seien oder dies für sich ausschlössen. Maßstab sollten die Wertevorstellungen und Wünsche von Menschen sein, welche das Grundgesetz formuliere und schütze. "Nach diesen Werten und in Würde leben und sterben zu können, dafür haben wir hier so weit Räume zu öffnen, dass niemand an seiner selbstbestimmten Entscheidung gehindert wird oder damit andere in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt."

Ohne Druck Nach Ansicht von Helge Lindh (SPD) würde durch eine Gesetzgebung zur Suizidhilfe kein Automatismus entstehen. "Es liegt an der Gesellschaft und am Gesetzgeber, Wege zu finden, denjenigen, die wirklich frei die Entscheidung treffen, sterben zu wollen, das auch zu ermöglichen und gleichzeitig nicht diejenigen unter Druck zu setzen, die das nicht tun wollen." Der Staat greife schon oft genug in das Arzt-Patienten-Verhältnis ein. "Ich möchte nicht, dass der Staat auch noch Ärzten verbietet, diese letzte barmherzige Hilfe zu leisten", sagte Lindh. Das Ziel sollte sein, Organisationen, die Suizidhilfe gegen Bezahlung anbieten, aus dem Weg zu räumen.

Katja Keul (Grüne) warb für einen Vorschlag, den sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Renate Künast verfasst hat. Darin werde eine verpflichtende Beratung durch eine unabhängige Beratungsstelle vorgeschlagen. Diese Beratungsstellen müssten qualifiziertes Personal haben und dürften die Beratung nur bescheinigen, wenn sie keine Mängel bei der Willensbildung des Sterbewilligen feststellten. Am Ende eröffne die Bescheinigung einer solchen Beratungsstelle dann den Anspruch auf den Bezug des tödlichen Mittels, unabhängig von einer medizinischen Notlage. So solle die Sterbehilfe jenseits des Strafrechts geregelt werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, sein Ministerium habe als Beitrag zur Debatte einen Arbeitsentwurf zur Verfügung gestellt. Das darin vorgeschlagene abgestufte Schutzkonzept basiere auf zwei Säulen: Die Hilfe zur Selbsttötung sollte einerseits mit einem neuen Straftatbestand geahndet werden, zugleich sollte es einen regulatorischen Rahmen mit klar definierten Ausnahmen geben, der vor Strafverfolgung schütze, wenn Sterbehilfe geleistet werde. Eine Verpflichtung des Staates, Medikamente zur Selbsttötung zur Verfügung zu stellen, gehöre dazu nicht.

Klar gegen eine Neuregelung sprach sich Beatrix von Storch (AfD) aus. Mit der Förderung der Suizidbeihilfe würde die Büchse der Pandora geöffnet, warnte sie. Der assistierte Suizid begründe eine "Kultur des Todes". Diese widerspreche nicht nur universellen ethischen Grundsätzen, sondern auch den Werten der christlich-abendländischen Kultur.