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TRANSPARENZ : Regeln für Klarsicht

Nach der Masken- und Lobbyismusaffäre verschärft der Bundestag die Verhaltensvorschriften für seine Mitglieder deutlich

14.06.2021
True 2023-08-30T12:39:37.7200Z
3 Min

Zuletzt hat es mit den Verhaltensregeln für Abgeordnete im Mai die Grünen erwischt, deren Parteichefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sowie der früherere Vorsitzende Cem Özdemir dem Bundestag Sonderzahlungen ihrer Partei verspätet nachmeldeten und sich so unschöne Schlagzeilen einhandelten. Damit nicht vergleichbar, hatte zuvor eine Reihe damaliger Unions-Abgeordneter im März in der "Masken-Affäre" um mutmaßliche Bereicherungen bei der Vermittlung von Atemschutzmasken oder unter dem Verdacht der Lobbyistentätigkeit für heftige Empörung gesorgt; vom Verdacht der Bestechlichkeit war dabei zu lesen, es gab Mandatsniederlegungen und Parteiaustritte von Beschuldigten.

Am vergangenen Freitag nun zog der Bundestag eine weitere Konsequenz aus der Masken- und Lobbyismusaffäre mit einer deutlichen Verschärfung der Transparenzregeln für die Parlamentarier: Bei Enthaltung der AfD- und der FDP-Fraktion verabschiedete das Parlament einen Gesetzentwurf der vier restlichen Fraktionen zur Änderung des Abgeordnetengesetzes in der vom Geschäftsordnungs-Ausschuss geänderten Fassung (19/28784, 19/30492); weitere Vorlagen von AfD (19/27850, 19/27857) und Grünen (19/27872) fanden keine Mehrheit.

Auf Euro und Cent Danach müssen anzeigepflichtige Einkünfte aus Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen künftig betragsgenau auf Euro und Cent veröffentlicht werden statt wie bisher lediglich in zehn Einkommensstufen. Anzeigepflichtig sollen dabei Einkünfte sein, die im Monat 1.000 Euro oder bei ganzjährigen Tätigkeiten im Kalenderjahr in der Summe 3.000 Euro übersteigen.

Ferner müssen Beteiligungen der Parlamentarier an Kapital- sowie an Personengesellschaften, deren Tätigkeit "nicht ausschließlich die Vermietung und Verpachtung im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung betrifft", bereits ab fünf Prozent statt wie bislang ab 25 Prozent der Gesellschaftsanteile angezeigt und veröffentlicht werden, dabei erstmals auch indirekte Beteiligungen. Auch Einkünfte aus anzeigepflichtigen Unternehmensbeteiligungen wie etwa Dividenden werden anzeige- und veröffentlichungspflichtig, ebenso die Einräumung von Optionen auf Gesellschaftsanteile, die als Gegenleistung für eine Tätigkeit gewährt werden.

Zudem wird von Dritten bezahlte Lobbytätigkeit von Abgeordneten gegenüber der Bundesregierung oder dem Bundestag verboten und Honorare für Vorträge untersagt, die im Zusammenhang mit der Mandatsausübung stehen. Bei Verstößen gegen diese Verbote steht die Verhängung eines Ordnungsgeldes ins Haus, ebenso wie bei einem Missbrauch der Mitgliedschaft im Bundestag zu geschäftlichen Zwecken. Missbrauchen Abgeordnete ihre Mitgliedschaft oder verstoßen gegen das Verbot der entgeltlichen Interessenvertretung für Dritte und erzielen hierdurch Einnahmen, müssen diese an den Bundestag abgeführt werden. Zudem wird den Parlamentariern die Entgegennahme von Geldspenden verboten.

Vom Ausschuss vorgenommene Änderungen an dem ursprünglichen Vier-Fraktionen-Entwurf betreffen im Bereich des Abgeordnetengesetzes vor allem Klarstellungen zur Reichweite der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten. Präzisiert wurde die Offenlegung von Interessensverknüpfungen von Ausschussmitgliedern, neu eingefügt eine Anzeigepflicht im Hinblick auf Rückkehrmöglichkeiten in Bezug auf die vorherige Tätigkeit von Abgeordneten. Zudem soll der Bundestagspräsident dem Parlament künftig zu Beginn einer Wahlperiode einen Bericht über die Anwendung und Durchsetzung der nunmehr ins Abgeordnetengesetz überführten Verhaltensregeln für die Abgeordneten vorlegen. Darüber hinaus wird "Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern" im Strafgesetzbuch-Paragrafen 108 e zum Verbrechen hochgestuft durch eine Anhebung der Strafandrohung auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren,.

In der Debatte sprach Dirk Wiese (SPD) von einem Gewinn für das Parlament und seine Transparenz, für den "im Endeffekt erst die zahlreichen Korruptionsskandale" innerhalb der Unionsfraktion den Weg geebnet hätten. Patrick Schnieder (CDU) nannte die Neuregelung die "größte Reform des Abgeordnetengesetzes" seit dessen Bestehen. Mit Blick auf die Maskenaffäre bekräftigte er, dass er sich dieses Verhalten noch vor Monaten nicht habe vorstellen können. Die Betreffenden seien nun aus den Parteien ausgetreten und hätten bis auf einen Fall ihr Mandat niedergelegt. Petra Sitte (Linke) betonte, man schreibe nun "ein Stück deutscher Parlamentsgeschichte" mit dem Signal: "Korrupte Abgeordnete haben hier nichts zu suchen". Konstantin von Notz (Grüne) sagte, es sei "gut und richtig", was jetzt beschlossen werde, komme aber zu spät und sei zu wenig.

Marco Buschmann (FDP) beklagte, durch die Korruptionsskandale sei das Vertrauen in das Parlament unterspült worden. Deshalb sei es richtig, nun zu handeln. Die jetzt vorgesehene Angabepflicht von Gewinnen richte sich jedoch gegen "klassische Mittelständler". Damit würden Betriebsgeheimnisse wie Kalkulationsgrundlagen öffentlich, kritisierte Buschmann. Dies führe zu einer Beeinträchtigung des passiven Wahlrechts.

Thomas Seitz (AfD) bezeichnete die Neuregelung als ein "ethisches Minimum". Es gebe weiterhin Umgehungsmöglichkeiten, Sachspenden an Abgeordnete blieben möglich und Transparenz werde nur vorgetäuscht, kritisierte er.