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WACHSTUM : Wege zum Wohl

Debatte um Kurs in der Wirtschaftspolitik

28.06.2021
2023-08-30T12:39:39.7200Z
3 Min

Armin Laschet will weniger Bürokratie, Olaf Scholz mehr "Leadership", Annalena Baerbock einen klimaneutralen Wirtschaftsraum - der Auftritt der Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beim Tag der Industrie zu Beginn der letzten Woche zeigte es deutlich: Der Wahlkampf nimmt Fahrt auf - und gerade in der Wirtschaftspolitik stehen Richtungsentscheidungen an. Kein Wunder, der Veränderungsbedarf in Sachen Klimaschutz und Digitalisierung ist riesig. Darin stimmten auch die Abgeordneten weitgehend überein, die sich in der letzten Sitzungswoche der Legislaturperiode einen ansonsten recht hitzigen Schlagabtausch über den richtigen Kurs in der Wirtschaftspolitik lieferten.

Anlass für die Debatte im Plenum in der vergangenen Woche war ein Antrag der Grünen mit dem Titel "Wohlstand von morgen sichern" (19/30952). Außerdem lagen zehn weitere Anträge der Oppositionsfraktionen vor, die der Bundestag allesamt ablehnte: drei weitere Vorlagen der Grünen ( 19/22502, 19/27444, 19/17521), zwei der FDP (19/22494, 19/23935), drei der Linken (19/28772, 19/28775, 19/28906) sowie ein AfD-Antrag (19/30959).

Den Streit über den richtigen Weg und die besten Instrumente eröffnete Anja Hajduk (Grüne): Sie forderte, in der beginnenden wirtschaftlichen Erholung die notwendige ökologisch-soziale Transformation der Wirtschaft voranzutreiben. Die "enormen Ausgabenprogramme" zur Bewältigung der Corona-Krise gelte es nicht nur zur Stabilisierung zu nutzen, sondern für einen grundlegenden Umbau. Die Regierungskonzepte seien dafür nicht ausreichend. Es brauche ein echtes Umsteuern, um den Wohlstand von morgen zu sichern, sagte die Abgeordnete. Der Vorschlag ihrer Fraktion liege auf dem Tisch: Bausteine seien ein "wirksamer CO2-Preis" und Klimaverträge mit Unternehmen. Vor allem aber warb Hajduk für ein "großes Investitionsprogramm" zur Modernisierung des Standorts Deutschland im kommenden Jahrzehnt.

Wohlstandssicherung - das sei sicher die wichtigste Aufgabe der kommenden Jahre, stimmte Andreas G. Lämmel (CDU) zu. Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit entscheide letztlich über die Finanzierbarkeit seiner sozialen Sicherungssysteme. Deutschland müsse deshalb ein Industriestandort bleiben. Mit "überbordender Bürokratie und hohen Strompreisen" jedoch gelinge das nicht, sagte er in Richtung der Grünen. Es brauche eine "Entfesselung der Wirtschaft". Sein Fraktionskollege Carsten Linnemann (CDU) hielt den Grünen vor, zu stark auf den Staat zu setzen. Der Wettbewerb sei "das geeignetste Instrument", um Innovationen zu ermöglichen - nicht "regulieren, planen, subventionieren".

Bernd Westphal vom Koalitionspartner SPD verteidigte die Erfolge der Regierungspolitik: Dass Deutschland trotz Corona-Pandemie zu den "erfolgreichsten Wirtschaftsstandorten" gehöre, sei einem handlungsfähigen Staat zu verdanken, der mit Konjunkturprogrammen, Wirtschaftshilfen und dem Kurzarbeitergeld Betriebe stabilisiert und Beschäftigung gesichert habe. Dekarbonisierung und Digitalisierung seien große Herausforderungen. Daher brauche es schnellere Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien, räumte der Sozialdemokrat ein. Die Voraussetzungen schaffe die Koalition jedoch: Mit Infrastrukturmaßnahmen lege sie die Basis für den Wohlstand für morgen.

Zum Rundumschlag holte Leif-Erik Holm (AfD) aus: Die "öko-sozialistischen Transformation" führe eher "zurück in die Steinzeit". Und sozial seien die Pläne der Grünen auch nicht: Neue CO2-Zölle, steigende Sprit- und Strompreise belasteten nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Steuerzahler, monierte Holm. Trotzdem "dackelten" alle Parteien dem "biologischen Irrsinn" hinterher. Eine wirkliche Entlastung der Verbraucher sehe die AfD mit ihrem Antrag zur Senkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum vor.

Reinhard Houben (FDP) nannte den Vorstoß der Grünen einen "Wahlkampfmove". Der Titel ihres Antrags klinge vielversprechend, aber der Blick in das Kleingedruckte offenbare, dass sie längst noch keine "wirtschaftsfreundliche Partei" seien. Ob Ceta oder Mercosur - die Grünen lehnten alle Handelsabkommen ab. "Sie legen die Latte bewusst so hoch, dass Sie aufrechtstehend darunter durchlaufen können", so die Kritik des Liberalen. Wer aber noch nicht einmal mit Kanada einen Vertrag schließen wolle, sei "nicht regierungsfähig".

Ob es gelingen könne, den Wohlstand für morgen zu sichern - und für wen, sei angesichts der bevorstehenden Herausforderungen eine offene Frage, bemerkte schließlich Pascal Meiser (Linke). Die Beschäftigten stünden heute schon oft mit dem "Rücken zur Wand". Um Akzeptanz für den nötigen klimagerechten Umbau der Wirtschaft zu schaffen, forderte er eine "aktive staatliche Industriepolitik", die sich an ihren "berechtigten Interessen" orientiere. Das heiße konkret: Sicherung von Arbeit und Einkommen sowie eine Mitbestimmung, "die auch vor Investitionsentscheidungen der Unternehmen nicht Halt macht". Tarifflucht und Lohndumping müsste verhindert werden.