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Strafrecht : Härtere Strafen

Nach zahlreichen Missbrauchsfällen verschärft der Bundestag Gesetze gegen sexuellen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie. Mindest- und Höchststrafen werden erhöht.

29.03.2021
2024-03-15T12:40:48.3600Z
4 Min

Der sexuelle Missbrauch von Kindern muss besser bekämpft werden. Darin waren sich alle Fraktionen in der Debatte über einen entsprechenden Gesetzentwurf der Koalition (19/23707) am vergangenen Donnerstag einig. Trotzdem votierten bei der Abstimmung nur CDU/CSU, SPD und AfD für die Vorlage in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (19/27928). FDP, Linke und Grüne enthielten sich, weil sie die Pläne zur Strafrechtsverschärfung für nicht differenziert genug halten. Einigkeit bestand darüber, dass, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, die Rechte der Opfer gestärkt, Richter besser auf die Verfahren vorbereitet und die Prävention verbessert werden muss.

Im Einzelnen sieht das Gesetz vor, dass sexueller Kindesmissbrauch bereits im Grundtatbestand als Verbrechen und nicht mehr als Vergehen geahndet wird. Die Verbreitung, der Besitz und die Besitzverschaffung von Kinderpornografie sollen ebenfalls als Verbrechen eingestuft werden. Mit der Schaffung einer neuen Strafnorm soll zudem das Inverkehrbringen und der Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild unter Strafe gestellt werden. Die Strafverfolgungsbehörden sollen weitergehenden Ermittlungsbefugnisse erhalten. In der Gesetzesbegründung wird unter anderem auf die Missbrauchsfälle von Staufen, Bergisch Gladbach, Lügde und Münster und die im Strafrecht fehlende Abschreckungswirkung verwiesen.

Für den Grundtatbestand ist künftig ein Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen. Die Verbreitung von Kinderpornografie soll mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren geahndet werden. Laut Änderungsantrag der Koalition wurde im Ergebnis der parlamentarischen Beratungen unter anderem die im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung "sexualisierte Gewalt gegen Kinder" allerdings nicht übernommen.

Die Unionsfraktion würdigte das Gesetz als eine klare Antwort auf die zahllosen Missbrauchsskandale in Deutschland in den vergangenen Jahren. Thorsten Frei (CDU) sagte, "zentraler Anker" des Gesetzes sei die Anhebung des Mindeststrafrahmens für die Straftatbestände des sexuellen Kindesmissbrauchs und der Kinderpornografie. Eine Konsequenz sei, dass Verfahren nicht mehr wegen Geringfügigkeit eingestellt werden könnten. Gleichzeitig würden die Handlungsinstrumente für Polizei und Staatsanwaltschaft verbessert. Zur besseren Prävention sollen Registereinträge einschlägig Verurteilter später oder gar nicht gelöscht werden. Um den sexuellen Kindesmissbrauch noch besser bekämpfen zu können, müsse eine europarechts- und verfassungskonforme Lösung für die Vorratsdatenspeicherung gefunden werden.

Höheres Straßfmaß schreckt Täter ab

Susann Rüthrich (SPD) betonte, dass der Rechtsstaat sexuelle Gewalt gegen Kinder mit allen verfügbaren Mitteln bekämpfe. Die Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss habe wertvolle Hinweise gegeben, um solche Gewalttaten dem Unrechtsgehalt entsprechend wirksam zu sanktionieren und sie vor allem zu verhindern. Das Strafmaß werde erheblich steigen, was Täter hoffentlich abschrecke. Mit dem Gesetz werde das Leben der Kinder in Deutschland wieder ein Stück sicherer gemacht.

Johannes Huber (AfD) sagte, seine Partei stimme der Grundintention des Gesetzes zu. Leider habe es erst die erschütternden Missbrauchsfälle der letzten Jahre gebraucht, um die Bundesregierung daran zu erinnern, dass es Handlungsbedarf gebe. Von der Bundesregierung würden künftig unter anderem mehr Investitionen im Bereich der Prävention, die Ausweitung und Erleichterung der Sicherungsverwahrung und ein besserer Austausch zwischen Polizei und Jugendämtern erwartet. Ein diesbezüglicher Antrag der AfD-Fraktion wurde jedoch abgelehnt.

Die anderen Fraktionen verwiesen in ihrer Kritik am strafrechtlichen Teil des Entwurfs auf die Expertenanhörung im vergangenen Dezember. Die Verschärfungen seien auch bei den Sachverständigen umstritten. Grüne und Liberale nahmen deren Vorschläge zum Anlass für eigenen Gesetzentwürfe und Anträge, die jedoch keine Mehrheit fanden. Jürgen Martens (FDP) sagte, eine generelle Erhöhung des Strafrahmens führe zu einer Überlastung der Ermittlungsbehörden und der Justiz. Zudem fehle eine Regelung zum sogenannten minderschweren Fall. Langwierige und aufwendige Ermittlungsverfahren sollten vermieden werden, um nicht unnötig Ressourcen zu verschwenden.

Linke fordert mehr Prävention

Gökay Akbolut (Linke) unterstützte das Ziel der Regierung und einige der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen. Allerdings sei die Enttäuschung, auch in der Praxis, groß, dass die von den Sachverständigen benannten Mängel - mit Ausnahme der Kritik am Begriff der sexualisierten Gewalt - nicht korrigiert worden seien. Deutlich wirksamer als eine Strafverschärfung als Mittel zur Abschreckung wären mehr präventive Maßnahmen. Sexueller Kindesmissbrauch müsse bekämpft werden, aber nicht in dieser Form, und vor allem unter Einbeziehung der Fachwelt.

Katja Keul (Grüne) lobte Verbesserungen im Familienrecht wie die verschärften Anhörungspflichten und die Mindestqualifikation für Verfahrenspfleger und Familienrichter. Keul zufolge ist der Grundtatbestand des sexuellen Missbrauchs zu Recht weit gefasst. Wenn aber der Mindeststrafrahmen für alle Taten auf ein Jahr heraufgesetzt werde, hätte man wenigstens einen minderschweren Fall einführen müssen, um schuldangemessene Strafen zu ermöglichen. Es sollte doch klar sein, so Keul, dass küssende Teenager keine Verbrechen begehen.