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Coronakrise : Die Freiheit der Geimpften

Kontaktauflagen und Ausgangsbeschränkungen fallen für Immunisierte weg

10.05.2021
2023-08-30T12:39:37.7200Z
4 Min

Unter dem Eindruck rückläufiger Infektionszahlen und einer beschleunigten Impfkampagne werden die Corona-Auflagen für Immunisierte gelockert. Der Bundestag beschloss vergangene Woche im Eilverfahren mit breiter Mehrheit eine Verordnung (19/29257) der Bundesregierung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), die Geimpften und Genesenen mehr Freiheiten bringt, etwa bei Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen. Die AfD-Fraktion stimmte dagegen, die FDP enthielt sich. Der Bundesrat billigte die Verordnung am Freitag.

Die Eile ist aus Sicht der Regierung geboten, weil befürchtet wird, dass die Auflagen im Fall der Immunisierten vom Bundesverfassungsgericht als unverhältnismäßig angesehen und gekippt werden könnten. Das Karlsruher Gericht lehnte zwar just vergangene Woche Eilanträge gegen die Ausgangsbeschränkungen ab. Die Auflage diene "einem grundsätzlich legitimen Zweck", hieß es. Das Gericht wies aber nur die Eilbedürftigkeit zurück, eine Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus.

Ziel der Bundesverordnung ist es, bestehende Erleichterungen und Ausnahmen von Geboten und Verboten für Personen mit negativem Corona-Test auf vollständig Geimpfte und Genesene anzuwenden. Nachweislich Geimpfte und Genesene brauchen demnach keinen negativen Test mehr, wenn sie etwa einkaufen gehen, einen Friseur besuchen oder einen botanischen Garten.

Private Treffen Wer geimpft oder genesen ist, kann sich überdies privat ohne Einschränkungen treffen, auch die Ausgangsbeschränkungen fallen für die Gruppe weg. Ferner sieht die Verordnung Ausnahmen von Quarantänepflichten vor. Allerdings müssen Geimpfte und Genesene weiter Maske tragen sowie Abstands- und Hygieneregeln beachten. Die meisten Bundesländer haben schon vor dem Beschluss Lockerungen für Geimpfte verfügt.

Auch die mit der sogenannten Notbremse beschlossenen bundesweiten Auflagen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 gelten grundsätzlich weiter. Mehrere Länder wollen bei Inzidenzen unter 100 weitere Öffnungsschritte gehen, beispielsweise in der Außengastronomie oder Kultur. Auch der Tourismus soll bei niedrigen Inzidenzen wieder in Gang kommen (siehe auch Seite 3). In der vergangenen Woche lagen die Inzidenzwerte in den meisten Ländern aber noch über 100.

Die Freiheiten für Geimpfte und Genesene werfen grundsätzliche Fragen auf, etwa die, ob die Regelungen im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen gerecht sind, oder auch, ob sie überhaupt kontrolliert werden können. Mit diesen Fragen befassten sich die Abgeordneten bei der Verabschiedung der Verordnung sowie in einer Aktuellen Stunde zu dem Thema. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach bei der Vorlage der Verordnung von einem "wichtigen Schritt hin zur Normalität" und fügte an: "Die Grundrechte müssen wieder zur Entfaltung kommen, sobald die Begründung für ihre Einschränkung nicht mehr besteht." In der Debatte sagte die Ministerin, um die Grundrechte werde in der Coronakrise hart gerungen, immerhin gehe es um das Leben und die Gesundheit vieler Menschen. Sie merkte an, dass nunmehr geimpfte Heimbewohner wieder im Speisesaal zusammen essen könnten. Alle müssten nun gemeinsam daran arbeiten, zurück in die Normalität zu finden. Johannes Fechner (SPD) befand: "Wir beschließen nichts weniger als den Einstieg in die Rückkehr zur Normalität." In der Krise seien die Grundrechte der Bürger schnell beschränkt worden, genauso schnell müssten sie nun wieder aufgehoben werden, wenn von Personen keine Infektionsgefahr mehr ausgehe. Er räumte ein, dass es zu Ungleichbehandlungen kommen werde, aber nur für einen überschaubaren Zeitraum. Womöglich sei das auch ein Anreiz, sich zu impfen zu lassen.

Nach Ansicht von Thorsten Frei (CDU) sind die Auflagen berechtigt, denn es gehe um das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit. Die Bundesnotbremse habe einen Effekt gehabt, nun sei "Licht am Ende des Tunnels" zu sehen.

Ulrich Oehme (AfD) sagte hingegen, die restriktiven Auflagen seien epidemiologisch sinnlos und richteten enormen Schaden an. Manche Menschen bekämen nun ihre Grundrechte zurück, andere würden diskriminiert. Zudem bewirke die Verordnung eine Impfpflicht durch die Hintertür. "Hören Sie auf, die Menschen zu verängstigen und gegeneinander auszuspielen." Oehme fügte hinzu: "Beenden Sie den Lockdown."

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) rügte, die Verordnung bringe zwar mehr Freiheiten, gehe jedoch nicht weit genug. Freiheiten könnten nicht scheibchenweise zugeteilt werden, sondern nur als Ganzes. So werde die Öffnung von Gaststätten, Hotels, Kultur- und Freizeiteinrichtungen für Geimpfte und Genesene ausgeklammert.

Auch Susanne Ferschl (Linke) forderte, die Freiheitsrechte für alle Bürger wieder herzustellen. "Dieser permanente Jo-Jo-Lockdown macht die Menschen mürbe." Sie fügte hinzu: "Weder mit Hauruck-Verfahren noch mit dem Prinzip Hoffnung besiegt man eine Pandemie." Gebraucht werde jetzt vordringlich ein Impfangebot für alle Bürger.

Manuela Rottmann (Grüne) sagte, es sei verfassungsrechtlich völlig klar, dass Beschränkungen aufgehoben werden müssten, wenn sie niemandem mehr nutzten. Sie monierte, die Koalition habe in dieser Frage jedoch lange eine völlig unklare Position vertreten. Es wäre besser gewesen, die Zeit zu nutzten und mit Beginn der Impfkampagne eine einfache, fälschungssichere Dokumentation aufzubauen, sagte die Grünen-Politikerin. Heute seien 24 Millionen Menschen in Deutschland geimpft, aber eine Dokumentation gebe es immer noch nicht.