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FAMILIE
Alexander Weinlein
Einigung auf der Zielgeraden über das Vorzeigeprojekt

Bundestag verabschiedet Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler stufenweise ab 2026. Der Bundesrat muss aber noch zustimmen

Ab dem Schuljahr 2026/2027 soll der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler stufenweise umgesetzt werden. Zunächst soll er für die Schüler der ersten Klassen gelten, bis 2030 soll er dann Jahr für Jahr auf die Klassenstufen zwei bis vier ausgeweitet werden. Das Recht auf Betreuung soll an fünf Tagen in der Woche für acht Stunden täglich gelten. Am vergangenen Freitag verabschiedete der Bundestag den entsprechenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD (19/29764) in der durch den Familienausschuss noch einmal geänderten Fassung (19/30512) ohne Gegenstimmen. Die AfD, die FDP- und die Linksfraktion enthielten sich der Stimme. Bündnis 90/Die Grünen votierte als einzige Oppositionsfraktion trotz einiger Kritik für das ambitionierte Vorhaben. Damit kann die Koalition wohl doch noch eines ihrer familien- und bildungspolitischen Vorzeigeprojekte dieser Wahlperiode erfolgreich umsetzen. Allerdings muss das Gesetz auch noch den Bundesrat passieren.

Gerade bei den Ländern war das Vorhaben lange Zeit auf Widerstand gestoßen. Nicht, weil sie die Ganztagsbetreuung ablehnen, sondern weil die Belastungen für Länder und Kommunen erheblich sein werden. In zähen Verhandlungen kam die Regierungskoalition den Ländern schließlich entgegen. Ursprünglich solle der Rechtsanspruch bereits 2025 eingeführt werden, nun also ein Jahr später und in Stufen.

Auch finanziell macht der Bund Zugeständnisse an die Länder. So sollten aus dem Sondervermögen "Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter" zunächst zwei Milliarden Euro an die Länder fließen, jetzt werden es 3,5 Milliarden sei. Auch an den laufenden Betriebskosten will sich der Bund beteiligen. So sollen den Ländern ab 2026 durch eine Umverteilung der Umsatzsteuer analog zu der stufenweisen Umsetzung des Rechtsanspruchs zusätzliche Mittel zufließen. Ab 2030 sollen dies 960 Millionen Euro jährlich sein.

Die Höhe der Investitionkosten, die allein von den Ländern finanziert werden müssen, beziffert der Bund auf 1,4 bis 3,2 Milliarden Euro, die Höhe der jährlichen Betriebskosten ab 2030 auf jährlich 2,2 bis 3,4 Milliarden Euro. Die genauen Kosten werden davon abhängig sein, wie viele Eltern vom Rechtsanspruch auf Betreuung für ihre Kinder Gebrauch machen werden.

Für die Familienpolitiker von Union und SPD wird mit dem Rechtsanspruch eine "Lücke in der Kinderbetreuung" geschlossen. Bislang existierte nur für Kinder ab dem ersten Lebensjahr bis zur Einschulung ein bundesweit gültiger Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Deshalb stößt die Ganztagsbetreuung für Grundschüler auch bei der Opposition prinzipiell auf große Zustimmung. Zufrieden ist sie mit dem Gesetz deshalb aber noch lange nicht.

Personalmangel Unisono monierten AfD, FDP, Linke und Grüne, dass das Gesetz keine Vorgaben zur Qualität des Betreuung mache. Und es fehle eine begleitende Fachkräfteoffensive des Bundes, um das benötigte pädagogische Personal zu gewinnen. Den Koalitionsfraktionen ist dies durchaus bewusst. So nahm der Familienausschuss auf Antrag von Union und SPD denn auch eine Entschließung in seine Beschlussempfehlung zur Gesetzesvorlage auf, in der Bund und Länder angehalten werden, eine Fachkräfteoffensive zu starten. Dies ist jedoch eher ein Appell und ist rechtlich nicht bindend.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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