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Etat 2022 : Lindners Haushalt - ein Rätsel?

Die Koalition einigt sich auf ein weiteres Entlastungspaket. Die Union kritisiert mangelnde Solidität des Haushaltsentwurfes.

28.03.2022
2024-03-04T13:16:42.3600Z
4 Min
Foto: picture-alliance/Geisler-Fotopress/Frederic Kern

Bundesfinanzminister Christian Lindner will haushaltspolitische die "Rückkehr zur Normalität". In diesem krisenhaften Jahr dürfte das allerdings schwierig werden.

Nachdem Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) am vergangenen Dienstag im Bundestag den Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt vorgestellt hatte, hielt sich Alexander Dobrindt (CSU) nicht mit Kritik zurück: Mit dem Nachtragshaushalt 2021, gegen den die Union klagen will, habe der Finanzminister schon einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt. Und der für dieses Jahr vorgelegte sei unvollständig, weil die Regierung einen noch nicht näher bestimmten Ergänzungshaushalt vorlegen wolle. "Das, was Sie heute hier vorgestellt haben, ist kein Haushalt zum Beraten, sondern ein Haushaltsrätsel, das es zu erraten gilt. Aber das ist zu wenig für den Deutschen Bundestag", kritisierte der Christsoziale.

Zweites Entlastungspaket beschlossen

Im Verlaufe der Woche lieferte die Koalition einige Hinweise darauf, was die Lösung des "Haushaltsrätsel" sein wird. In der Nacht zum Donnerstag einigten sich SPD, Grüne und FDP auf ein zweites Entlastungspaket. Als Teil des Ergänzungshaushaltes soll dieses Paket einen Teil der finanziellen Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine abfedern, konkret: die steigenden Energiekosten. Erwerbstätige sollen nach Plänen der Koalition mit einer - steuerpflichtigen - Sonderzahlung in Höhe von 300 Euro bedacht werden, für Familien ist pro Kind ein Bonus von 100 Euro geplant und der bisherige Zuschlag für Transferleistungsempfänger soll auf 200 Euro verdoppelt werden.

An der Zapfsäule sollen Pendlerinnen und Pendler durch eine befristete Senkung der Energiesteuer entlastet werden. Für Superbenzin könnten die Preise so um 30 Cent fallen, für Diesel um 14 Cent pro Liter. Auch die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs soll günstiger werden. Monatstickets sollen, ebenfalls befristet auf drei Monate, dann nur noch neun Euro kosten. Weitere Vorhaben beziehen sich auf die Steigerung der Energieeffizienz, um so unabhängiger von vor allem russischen Gas-Lieferungen zu werden. Die für den 1. Januar 2025 vorgesehene Vorgabe, nach der jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll, wird um ein Jahr vorgezogen. Zudem soll ab kommenden Jahr beim Wohnungsbau ein neuer Effizienzstandard E55 gelten.

Lindner verteidigt Steuerrabatte an der Zapfsäule

Günstig wird das nicht. In der Schlussrunde der ersten Haushaltswoche taxierte Lindner die Kosten des Pakets auf 17 Milliarden Euro, ähnlich hoch wie das bereits im Haushaltsentwurf eingepreiste 1. Entlastungspaket. Die Einmalzahlung werde eine "spürbare Entlastung bringen gerade angesichts steigender Energiepreise", sagte Lindner in der Debatte. Zur gerechten Verteilung werde der jeweilige Steuertarif genutzt. Der Finanzminister sprach sich indes dafür aus, die 300 Euro von der Sozialabgabenpflicht zu befreien.

Lindner verteidigte zudem die Steuerrabatte an der Zapfsäule gegen den Vorwurf, es würden damit auch Besserverdienende entlastet. In der ganzen Breite der Gesellschaft seien die Menschen von den steigenden Preisen betroffen. Es sei daher gerechtfertigt, "durch die ganze Breite der Gesellschaft zu entlasten, denn auf ihren Schultern stehen wir", sagte Lindner. Bereits in der Aussprache am Dienstag hatte der Liberale Ideen der Union abgekanzelt, die Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe zu senken. Das erlaubten die europäischen Vorgaben nicht, so Lindner.


„Die Schuldenbremse ist keine unverbindliche Willenserklärung", sondern der Befehl unserer Verfassung.“
Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister

Bei der Einbringung des Haushalts war dem Finanzminister zudem ein weiterer Punkt wichtig: "die Rückkehr zur Normalität." Das sei das haushaltspolitische Ziel der Koalition. Es sei der neuen Regierung gelungen, die geplante Neuverschuldung - ohne Ukraine-Effekt - im Rahmen des Regierungsentwurfs der vorherigen Bundesregierung zu halten, trotz neuer Investitionen und Vorhaben. Ab 2023 wolle die Bundesregierung die Schuldenbremse des Grundgesetzes - ohne zusätzliche steuerliche Belastungen - wieder einhalten. Die Schuldenbremse sei, so betonte Lindner, "keine unverbindliche Willenserklärung", sondern "der Befehl unserer Verfassung".

Sekundiert wurde Lindner in der Debatte am Dienstag vom FDP-Abgeordneten Christoph Meyer. "Die Norm ist finanzpolitische Stabilität. Nur sie hat uns in die Lage versetzt, die finanziellen Herausforderungen in der Pandemie und auch die jetzt vor uns liegenden zu schultern", sagte der Fraktions-Vize der Liberalen.

Union vermisst Solidität 

Die Union vermisst hingegen die Solidität in Lindners Entwurf. Dobrindt warf ihm mit Bezug auf das Sondervermögen für die Bundesvermögen vor, keine Modalitäten für die Rückzahlung der 100 Milliarden Euro festgelegt zu haben: "Schuldentilgung ist ein Teil von solider Haushaltspolitik!"

In der Schlussrunde kritisierte Yannick Bury (CDU), dass Lindners Entwurf auf die zentralen Herausforderungen - Freiheit und Sicherheit in Europa dauerhaft zu sichern sowie "finanzielle Handlungsmöglichkeiten" für kommende Generationen offenzuhalten - noch keine überzeugende Antwort liefere. "Diese Verantwortung übernehmen Sie bisher nicht", sagte Bury.

Linke kritisiert "Wettrüsten"

Für die AfD-Fraktion kritisierte Peter Boehringer in derselben Debatte die haushaltspolitische Dimension des geplanten Sondervermögens für die Bundeswehr. Durch einen Nebenhaushalt werde der Bundestag entmachtet, kritisierte der Haushaltspolitiker. Die präzedenzlose Absicherung im Grundgesetz sei "verfassungsrechtlich hoch bedenklich", mit der vorgesehenen eigenen Kreditermächtigung für das Sondervermögen falle man zudem in die Zeit vor der Schuldenbremse zurück.

Janine Wissler (Die Linke) kritisierte das mit dem Sondervermögen geplante "Wettrüsten". Die vorgesehene Grundgesetzänderung verliehe dem "Verfassungsrang". Das sei Irrsinn. Statt einen "Schattenhaushalt" im Grundgesetz festzuschreiben, könne die Gelegenheit auch genutzt werden, um die Schuldenbremse abzuschaffen, meinte die Linken-Parteichefin.

SPD: Staat mus Sicherheit im Wandel geben

Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) verteidigte die Etat-Planung der Koalition offensiv. Die Union kritisiere, dass die Neuverschuldung steigen werde, mache aber keine eigenen Vorschläge. "So geht keine solide Finanzpolitik." Kindler zeigte sich skeptisch, ob es 2023 gelingen wird, wieder im Rahmen der Schuldenbremse zu operieren oder ob die Notsituation infolge der Krisen fortdauert: "Ich traue mir keine Prognose zu."

Auf Prognoseunsicherheiten hatte in der Auftaktdebatte auch Dennis Rohde für die Sozialdemokraten hingewiesen: "Wir alle hatten mit Blick auf diesen Haushalt, glaube ich, die Hoffnung, dass die Planungsunsicherheiten, die ihm unterliegen, kleiner werden." Dem sei aber nicht so. Darum sei es an der Zeit, innezuhalten "und die Maxime der eigenen Haushaltspolitik zu überdenken". Für die SPD-Fraktion sei nicht das "blinde Erreichen irgendwelcher Kennzahlen" Ziel der Haushaltspolitik. "Für uns geht es darum, dass der Staat gerade in diesen Krisenzeiten in der Lage ist, Sicherheit im Wandel zu geben", sagte Rohde.