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BOSNIEN uND HERZEGOWINA
Alexander Heinrich
Erschreckende Parallelen

Der Deutsche Bundestag hat anlässlich des Jahrestages des Kriegsbeginns in Bosnien und Herzegowina vor 30 Jahren der Opfer gedacht. Mehrere Rednerinnen und Redner erinnerten in einer Vereinbarten Debatte an die 100.000 Todesopfer und zwei Millionen Vertriebene und an die systematischen Massenvergewaltigungen als Teil der Kriegführung. Verwiesen wurde auf die Parallelität schwerster Kriegsverbrechen damals und jenen Verbrechen, die heute Russland im Angriffskrieg auf die Ukraine vorgeworfen werden.

Anna Lührmann (Grüne), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, sagte angesichts der Bilder von ermordeten Zivilisten im ukrainischen Butscha: "Erinnerungen an den furchtbaren Völkermord von Srebrenica werden wach." Die ethnische Spaltung in Bosnien und Herzegowina bestehe bis heute fort. Lührmann kritisierte die Abspaltungsbestrebungen der serbischen Teilrepublik Srpska: "Das sind Angriffe auf Frieden und Stabilität im westlichen Balkan." Die Bundesregierung halte deshalb bilaterale Hilfen zurück und prüfe eine erneute Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission EUFOR Althea.

Peter Beyer (CDU) verwies darauf, dass diese Sezessionsbestrebungen von Russland befeuert würden. Er nannte die Äußerungen des russischen Botschafters in Sarajewo zu einer Nato-Perspektive für Bosnien-Herzegowina eine "unverhohlene Drohung". Dass seit dem EU-Beitritts-Antrag seit 2016 "sehr wenig" geschehen sei, sei nicht gut für das Land, befand Beyer. In den Staaten des Westbalkans gewönnen Kräfte an Einfluss, "die es nicht gut meinen mit Demokratie, mit Rechtsstaatlichkeit, mit freier Meinungsäußerung".

Aus Sicht von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) gefährden die Abtrennungsbestrebungen der Teilrepublik Srpska nicht nur die Stabilität Bosnien und Herzegowinas. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine "drohen hier Kettenreaktionen auf dem Westbalkan und auch noch darüber hinaus". Die Bundesregierung halte Infrastrukturhilfen für Srpska in Höhe von 100 Millionen Euro zurück und unterstütze den EU-Annäherungsprozess des Gesamtstaats.

Auch Joachim Wundrak (AfD) warnte vor einem Übergreifen des Konflikts in der Ukraine auf den Westbalkan. Es wäre in dieser Situation fatal, Serbiens EU-Beitrittsperspektive infrage zu stellen, weil das Land sich nicht deutlich genug vom Krieg Russlands in der Ukraine distanziere. "Der Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben auf dem Westbalkan liegt auch in Belgrad."

Jens Beeck (FDP) ging wie Vorredner Beyer auf die Einlassungen des russischen Botschafters in Sarajewo ein, er nannte diese "eine Drohung gegen unsere westliche Weltordnung und gegen die Eigenständigkeit und Souveränität jedes Staates". Bosnien und Herzegowina habe "eine glaubhafte Perspektive in der EU und auch in der Nato verdient". Russlands "dreiste und unverhohlene Methoden" könnten den Weg in "die europäische Gemeinschaft nur verzögern, sie werden sie nicht aufhalten können".

Gregor Gysi (Die Linke) sprach vom Entsetzen angesichts der Tatsache, dass Menschen, "die friedlich in Jugoslawien über Jahrzehnte zusammenlebten, aufgehetzt und aufgepeitscht sich gegenseitig totschlugen". In Srebrenica habe damals ein furchtbarer Massenmord an muslimischen Bosniaken durch serbische Täter stattgefunden. "Ich bin froh, dass Verantwortliche vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt wurden. Ich möchte nur, dass auch russische, aber auch US-amerikanische Täter vor dem Gericht zu erscheinen haben."

Aus Politik und Zeitgeschichte

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