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Foto: picture alliance/dpa / Paul Zinken
Flüchtlinge aus dem ukrainischen Kriegsgebiet stehen Mitte März in Berlin vor dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, um sich registrieren zu lassen.

Flüchtlingspolitik : Zankapfel Registrierung

Die Fraktionen des Bundestages streiten über Anstrengungen zur Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

11.04.2022
2024-03-11T11:38:51.3600Z
4 Min

Mehr als 320.000 Kriegsflüchtlinge hat die Bundespolizei nach Angaben des Bundesinnenministeriums in Deutschland seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar bis vergangenen Freitag erfasst; die tatsächliche Zahl der in die Bundesrepublik geflüchteten Menschen könnte indes wesentlich höher sein, da an den Binnengrenzen keine festen Grenzkontrollen erfolgen. Am Donnerstagabend einigten sich Bund und Länder auf eine Verteilung der Kosten für Unterbringung, Versorgung und Integration der Flüchtlinge aus der Ukraine.

Sie sollen ab Anfang Juni in das reguläre Grundsicherungssystem aufgenommen werden, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten ankündigte. Insgesamt wird der Bund die Länder und Kommunen im laufenden Jahr mit zwei Milliarden Euro unterstützen.

Derweil befasste sich der Bundestag vergangene Woche in drei Debatten mit der Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland. Ging es dabei zum einen um zwei Anträge der Fraktion Die Linke zur finanziellen Unterstützung der Kommunen bei der Aufnahme der Geflüchteten, standen zum anderen Forderungen der CDU/CSU- sowie der AfD-Fraktion etwa zur Registrierung der Ankommenden im Mittelpunkt der Debatten. In einem Antrag mit dem Titel "Masterplan Hilfe, Sicherheit und Integration für ukrainische Frauen, Kinder und Jugendliche" dringt die Unionsfraktion unter anderem darauf, eine "durchgehende Registrierung und Personenfeststellung unmittelbar nach oder bei Grenzübertritt sicherzustellen". Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, "in Kooperation mit den Ländern ab sofort eine systematische, lückenlose und täuschungssichere Registrierung der Kriegsflüchtlinge einzuleiten". Beide Anträge wurden ebenso wie die zwei Vorlagen der Linksfraktion im Anschluss an die Aussprachen zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.

CDU/CSU vermisst "Flüchtlingsgipfel"

In der Debatte über den CDU/CSU-Antrag wiesen Vertreter der "Ampel"-Koalition Kritik aus der Opposition an der Arbeit der Bundesregierung bei der Aufnahme der Kriegsflüchtlinge entschieden zurück. Abgeordnete der Union und der AfD warfen der Bundesregierung dagegen schwere Versäumnisse bei der Aufnahme der Geflüchteten vor. Dorothee Bär (CSU) monierte, dass eine systematische Registrierung und Personenfeststellung der Ankommenden sowie der Menschen, die Flüchtlinge aufnehmen, nicht stattfinde und die Verteilung nicht koordiniert werde. Von ehrenamtlichen und freiwilligen Kräften werde "Übermenschliches" auch in den Kommunen geleistet, doch dürfe die Bundesregierung sich darauf nicht ausruhen. Die Bundesregierung lasse aber "geschehen, statt zu gestalten". Es gebe keinen "Flüchtlingsgipfel" und von Schutzzonen an den Bahnhöfen sei nichts zu sehen.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) entgegnete, dass die Bundesregierung von Anfang an daran arbeite, dass die nach Deutschland fliehenden Frauen und Kinder aus der Ukraine vom ersten Tag an gut aufgenommen werden können. Dazu gehöre auch der schnelle Zugang zu Integrations- und Sprachkursen, die weiter ausgebaut würden. Auch gebe es natürlich den Schutz der Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution.

AfD attackiert Bundesinnenministerin Faeser

Gottfried Curio (AfD) betonte, die allseitige Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge sei "fraglos", doch könne effektive Hilfe nur funktionieren, "wenn die Helfer die Kontrolle haben über das, was sie tun". Notwendig sei eine lückenlose Registrierung der Flüchtlinge, die Prüfung der Personaldokumente und die "Verhinderung von Trittbrettfahrern, die sich als Ukrainer ausgeben oder im Strom der Flüchtlinge mit einreisen, um hier Asyl zu beantragen". Sicherheitsbehörden warnten, dass Schleuser die erleichterten Einreisebedingungen aktiv bewerben und gefälschte ukrainische Pässe in Umlauf bringen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nehme gleichwohl "Sicherheitsrisiken für Deutschland sehenden Auges in Kauf".

Ulrike Bahr (SPD) sagte, nach ihrer Wahrnehmung laufe bei der Aufnahme der Flüchtlinge "sehr vieles inzwischen sehr gut und koordiniert". Dabei sei die Zusammenarbeit von Bund und Ländern eng abgestimmt. Die unproblematische Einreise der Flüchtlinge und ihr 90 Tage lang visumsfreier Aufenthalt träten gelegentlich in Konflikt mit der unverzüglichen Registrierung, doch ließen sich die meisten Geflüchteten zeitnah registrieren. Auch arbeite die Bundesinnenministerin seit Wochen an der Verbesserung der Registrierung. Bundespolizisten kontrollierten die ukrainischen Pässe und machten auf die mit der Registrierung verbundenen Vorteile aufmerksam. Nur über die Registrierung gebe es einen Zugang zu Leistungen, einem längerfristigen Aufenthaltsrecht und einer Arbeitserlaubnis.

Linke begrüßt private Unterkunftmöglichgkeiten

Clara Bünger (Linke) hob hervor, dass es derzeit rechtlich keine Möglichkeit gebe, eine systematische Registrierung der Geflüchteten aus der Ukraine zu erzwingen, solange diese keine staatlichen Leistungen und keinen Aufenthaltstitel beantragen. Bis zum 23. Mai könnten sie sich legal in Deutschland aufhalten, und es sei gut, dass "die Übergangsverordnung jetzt auch noch verlängert werden soll". Positiv sei auch, dass viele Flüchtlinge derzeit privat bei Bekannten und Verwandten unterkommen könnten.

Gyde Jensen (FDP) unterstrich, dass die CDU/CSU in ihrem Antrag genau die familienpolitischen Programme aufzähle, die die Koalitionsfraktionen "für eine gute Unterstützung der ukrainischen Frauen, Kinder und Jugendlichen identifiziert haben". Diese würden im Bundesfamilienministerium seit Wochen entsprechend angepasst und wendeten sich zielgerichtet an Ukrainerinnen. Auch liefen die Abstimmungen von Bund, Ländern und Kommunen sehr konstruktiv, betonte Jensen. Gebraucht würden "flexible, schnelle Lösungen auf allen Ebenen, aber nicht ein staatlich zentral verordneter Masterplan".

Grüne lehnen zusätzliche Registrierung ab

Julian Pahlke (Grüne) sagte, die Identität Geflüchteter werde bereits bei jedem Grenzübertritt in Polen, Ungarn oder Rumänien festgestellt, und danach sei die Bundespolizei an den deutschen Grenzen präsent und kontrolliere in den Zügen die Pässe. "Wir brauchen keine zusätzliche Registrierung und aufwendige Grenzkontrollen, die die Flucht weiter verzögern", fügte Pahlke hinzu.