E s war ein Scheitern mit Ansage. Die Impfpflicht verfehlte im Bundestag die erforderliche Mehrheit. SPD und Grüne waren fast geschlossen dafür, aber die FDP bis auf wenige Ausnahmen dagegen. Das war seit Monaten klar. Deshalb hat die Bundesregierung Ende des vergangenen Jahres entschieden, keinen eigenen Gesetzentwurf zur Impfpflicht vorzulegen. Der Bundeskanzler hätte schon die Vertrauensfrage stellen müssen, um die FDP zur Zustimmung zu zwingen - und man kann noch nicht mal sicher sein, dass das gut gegangen wäre.
Stattdessen hat die Bundesregierung die Abstimmung über die Impfpflicht zur Gewissensfrage erklärt und entschieden, in das sogenannte Gruppenverfahren zu gehen. Das ist bei medizin-ethischen Themen möglich, aber nicht zwingend. Olaf Scholz hat versucht, aus der Not eine Tugend zu machen: Weil die FDP ausfiel, sollte die Union als Mehrheitsbeschafferin einspringen. Aber dieses Kalkül ist nicht aufgegangen. Wenn der Bundesregierung nicht schnell etwas einfällt, wird Deutschland genauso unvorbereitet in den nächsten Herbst gehen wie in den vergangenen beiden Jahren. Dabei hatte die Ampel doch eine vorausschauende Politik versprochen.
Diese Niederlage geht mit Bundeskanzler Scholz und seinem Gesundheitsminister Karl Lauterbach nach Hause. Die können sich nicht damit rausreden, sich nur "als Abgeordnete" dem Antrag der Fraktionskollegen angeschlossen zu haben. Diese Erzählung war nie glaubhaft, am Donnerstag hat Scholz sie selbst entschleiert. Der Kanzler hat die Außenministerin Annalena Baerbock aufgefordert, ein wichtiges Nato-Treffen in Brüssel zu verlassen und zur Abstimmung zurück nach Berlin zu kommen. Nun zählte jede Stimme, nicht das Gewissen.
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