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Frances Haugen über DSA : Warum Tech-Konzerne keine neutralen Akteure sind

Welche Hoffnungen Whistleblowerin Frances Haugen in Europas Pläne zum Beschneiden der Macht großer Online-Plattformen setzt, hat sie dem Digitalausschuss berichtet.

11.04.2022
2023-11-01T08:41:30.3600Z
2 Min

Sie hatte schon vor dem US-Kongress, dem EU-Parlament und dem britischen Unterhaus gesprochen: Vergangene Woche trat die als Facebook-Whistleblowerin bekannt gewordene amerikanische Informatikerin Frances Haugen auch im Bundestag auf. Mit dem Digitalausschuss tauschte sie sich über die Pläne für den europäischen Digital Services Act (DSA), in den sie große Hoffnungen setzt, aus. Der DSA, der sich derzeit noch in den Trilogverhandlungen befindet, zielt unter anderem auf einen besseren Schutz von Verbrauchern und ihrer digitalen Grundrechte ab.

Die Informatikerin, die von 2018 bis 2021 als leitende Produktmanagerin für den Meta-Konzern arbeitete, hatte im Oktober 2021 mit den sogenannten "Facebook-Files" dafür gesorgt, dass interne Unterlagen dazu, dass der Konzern Profite über das Wohl seiner (jungen) Nutzer stelle, öffentlich wurden. Haugen warf dem Konzern vor, über die schädlichen Wirkweisen seiner Algorithmen Bescheid zu wissen und forderte eine strengere Regulierung und mehr Maßnahmen zum Schutz von Kindern und jugendlichen Nutzern.

Haugen: Meta kommt seinen Sorgfaltspflichten nicht nach

Die Reaktion des Konzerns auf ihre Enthüllungen habe vor allem darin bestanden, Informationen noch tiefer zu vergraben, sagte Haugen. Sie plädierte für Regeln durch eine Algorithmenethik, damit nicht länger bevorzugt Gewalt, Live-Videos und Polarisierendes angezeigt werde. Mit Blick auf das vom Konzern angekündigte "Metaverse", eine Art neues Internet mit Virtual-Reality-Anwendungen, befürchte sie, dass der Konzern auch hier seiner Sorgfaltspflicht nicht nachkomme und mit solch einem digitalen Raum ein "billiger Ersatz für persönliche Verbindungen" geschaffen werde.

Haugen betonte, Social Media-Plattformen seien in der vergangenen Dekade von unterschiedlichsten Seiten missbraucht worden und seien keine neutralen Akteure: Untersuchungen zeigten zwar, dass Maßnahmen der Plattformen etwa gegen russische Desinformation wirkten, trotzdem seien sie "Komplizen im Krieg gegen die Ukraine." Die gesponserte Desinformation sei in einem Netzwerk über Jahre aufgebaut worden. Facebook wisse, dass dies die Demokratie schwäche, habe aber kein Geschäftsinteresse daran, etwa Bots zu stoppen, betonte Haugen.

Entscheidungsmacht von Algorithmen 

Längst drehe sich die Diskussion nicht mehr nur um die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Zensur, sagte sie mit Blick auf Fragen nach der Entscheidungsmacht von Algorithmen. Das Oversight Board von Facebook, das als unabhängige Kontrollinstanz arbeiten soll, sei "voller kompetenter Leute, die aber im Grunde keinen Einfluss" hätten. Es werde nicht darüber informiert, wie Facebook Inhalte über verschiedene Sprachen hinweg ausspiele oder wie die KI-Systeme in den unterschiedlichen Sprachen wirken. "Facebook investiert zu wenig in Moderation und Sprachen außer Englisch", betonte Haugen.

Die gesetzgeberischen Maßnahmen wie der DSA der EU-Kommission seien ein "Schritt in die richtige Richtung" für mehr Transparenz von Online-Plattformen. Eine wichtige Ergänzung müsse darin bestehen, die Verantwortung in der gesamten Lieferkette bei digitalen Produkten mit aufzunehmen, damit diese nicht umgangen oder auf kleine Plattformen abgewälzt werden könne, plädierte Haugen.