Mit den Perspektiven der aus der Ukraine geflüchteten Kinder in Deutschland hat sich die Kinderkommission des Bundestages in der vergangenen Woche in einem öffentlichen Expertengespräch beschäftigt. Die beiden dazu geladenen Sachverständigen, Sebastian Sedlmayr von Unicef Deutschland und Sophia Eckert von der Organisation "terre des hommes", forderten zunächst einmal eine bessere Datengrundlage über die nach Deutschland gekommenen Kinder ein.
Aber auch die rasche Klärung der Frage des Sorgerechts bei Kindern, die getrennt von ihrer Familie einreisen, gehört für die beiden Experten auf die Agenda, ebenso wie eine bessere psychosoziale Unterstützung traumatisierter Kinder sowie von Privatpersonen, die Kinder bei sich aufnehmen. Kitas und Heime wiederum müssten mehr Betreuer und Erzieher sowie pädagogische Unterstützung erhalten, forderten sie.
Über Sofortmaßnahmen hinaus müsse sich die Politik Gedanken machen über eine dauerhafte Integration von Kindern, denen die Rückkehr in ihre Heimat auf absehbare Zeit verwehrt bleibe. Die Sachverständigen mahnten an, dass die Belange der Kinder, aus welchen Ländern auch immer sie kommen, bei den Haushaltsverhandlungen "nicht unter die Räder kommen" dürften.
"Wahnsinnig dynamisch" sei die Situation rund um die aus der Ukraine geflüchteten Kinder und Jugendlichen, sagte Sedlmayr. Niemand wisse, wie lange der Krieg dauern, welchen Verlauf er nehmen werde und wie sich die Lage in den umkämpften Gebieten gestalte. Für die meisten Geflüchteten werde es "sehr schwierig in Kürze in der Ukraine wieder ein geordnetes Leben zu führen". Schätzungsweise 300.000 Kinder aus der Ukraine hielten sich derzeit in Deutschland auf. Nicht alle hätten bislang einen Antrag auf Asyl gestellt. Aktuell seien 138.670 ukrainische Kinder an Schulen in Deutschland gemeldet, erläuterte der Unicef-Vertreter weiter.
Mehr Fachpersonal "Die Zahl derer, die nicht damit rechnen bald zurückzukehren, wird steigen", sagte Sedlmayr. Aber auch wenn nur eine kurze Aufenthaltsdauer absehbar sei, solle man die Integrationsbemühungen für diese Kinder verstärken. Man müsse ihnen Freizeit und Bildungsangebote machen. Neben privatem und ehrenamtlichem Engagement brauche es mehr Fachpersonal in Betreuungseinrichtungen. Sedlmayr regte zudem an, den mit geflüchteten Kindern befassten nachgeordneten Behörden klare Handreichungen zu geben, um diese in die Lage zu versetzen, angemessene Entscheidungen im Sinne des Kindeswohls zu treffen.
Sophia Eckert mahnte, die Kinder nicht allein der Zuständigkeit der Ausländerbehörden zu überlassen, sondern frühzeitig und dauerhaft die Jugendämter einzuschalten. Wer Kinderschutz ernst nehme, müsse bei Kindern und Jugendlichen, "die ohne ihre Kernfamilie einreisen, die Datenerfassung bei der Einreise von den Jugendämtern" vornehmen lassen.
Am besten seien Kinder in ihrer eigenen oder in einer Pflegefamilie aufgehoben. Diese Familien müssten künftig für die aufgenommenen Kinder statt der Zuwendungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Mittel nach dem Achten Sozialgesetzbuch beziehen können. Es gehe darum, die Kinder schnell "aus Fluchtkontexten in Regeldienstleistungen für Kinder der Mehrheitsgesellschaft" zu überführen, sagte sie.
Die Reform des Aufenthalts- und Bleiberechts müsse zu Verbesserungen für die Betroffenen führen. Die Geflüchteten bräuchten eine Perspektive für die Zeit nach Auslaufen ihres Schutzstatus. "Gut Integrierten" könne eine Ausweitung des Aufenthaltsstatus gewährt werden, schlug Eckert vor. Zudem müsse die Möglichkeit des Familiennachzugs für schutzberechtigte Geschwister geschaffen werden.
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