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Gastkommentare - Pro
Michael Pohl
Eine Frage der Dosis

Können wir uns noch leisten zu reisen?

R eisen stellt uns in diesem Sommer vor nie geahnte Herausforderungen - Rekordwarteschlangen an Flughäfen, verspätetes Gepäck, horrende Mietwagenpreise, dazu die stets mitschwingende Frage: Was passiert, wenn ich mich im Urlaub mit Corona infiziere? Und überhaupt: Sollte man aus Gründen des Klimaschutzes nicht ohnehin besser aufs Reisen verzichten? Das wäre fatal.

Wer die Welt verstehen will, muss sie selbst erleben. Vorurteile lassen sich am besten vor Ort abbauen. Und mehr noch: Um das eigene Umfeld zu Hause gedanklich durchdringen zu können, ist es unerlässlich, auch andere Gegenden zu kennen. Selbst wenn die Eindrücke im Urlaub oftmals noch so banal sein mögen - wir lernen am meisten von dem, was wir zuvor nie vermisst haben. Ein Verzicht aufs Reisen, wie während der Corona-Shutdowns, verändert Menschen. Und dies nicht zum Positiven.

Die Frage der Stunde muss vielmehr sein, wie Klimaschutz und Tourismus in eine vernünftige Balance zu bringen sind. Gar nicht zu reisen mag eines der wirksameren Mittel gegen den Klimawandel sein. Es würde aber Probleme in anderen Bereichen der Gesellschaft schaffen. Und es wäre - hoffentlich - zumindest in Europa utopisch. Durchsetzen sollte sich vielmehr die Erkenntnis, dass etwa der Wochenendtrip nach New York ganz sicher nicht mit dem Klimaschutz vereinbar ist und dass die Bahn zumindest auf Inlandsstrecken oftmals die sinnvollere Alternative zu Flugzeug und Auto darstellt. Wichtig ist aber auch, selbst bei Fernreisen kein zu schlechtes Gewissen haben zu müssen - es kommt vielmehr auf die Dosierung an. Länger reisen, bewusster, dafür seltener: Diese Formel könnte ein Anfang sein.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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