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Gastkommentare : Hält die Schuldenbremse? Ein Pro und Contra

Kann die Ampel die Schuldenbremse trotz notwendiger Mehrausgaben im kommenden Jahr einhalten? Manfred Schäfers und Thomas Sigmund im Pro und Contra.

12.09.2022
2024-03-04T13:27:43.3600Z
3 Min

Pro

Es muss funktionieren

Foto: Matthias Lüdecke
Manfred Schäfers
ist Korrespondent bei der "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
Foto: Matthias Lüdecke

Die Ampel versucht sich an etwas, das an die Quadratur des Kreises erinnert: Die Bürger um 65 Milliarden Euro zu entlasten - und nächstes Jahr wieder im Rahmen der Schuldenregel zu wirtschaften. Kann das funktionieren? Es muss.

Dafür gibt es drei Gründe, juristische, wirtschaftliche, politische. Erstens hat die Regierung nicht die Wahl, ob sie sich an die Verfassung halten will. Es ist ihre Pflicht. Nach Russlands offenem Bruch mit der europäischen Nachkriegsordnung hat man das Grundgesetz geändert, um die Bundeswehr in den nächsten Jahren an der Schuldenregel vorbei mit Krediten von 100 Milliarden Euro stärken zu können. Umgekehrt heißt das: Damit gibt es keinen Grund, wegen Moskaus Angriffskrieg in der Ukraine nochmals die Schuldenregel auszusetzen - zumal sich bisher die Wirtschaft noch erstaunlich stabil zeigt.

Das kann sich natürlich in der sich zuspitzenden Energiekrise ändern. Doch in dem Fall hilft, dass die Schuldenregel flexibel ist. Eine Konjunkturkomponente sorgt dafür, dass die zulässige Neuverschuldung größer wird, wenn das Wirtschaftswachstum schwindet. Sicher gibt es immer die Versuchung, mehr Gas zu geben - nicht zuletzt bei Grünen und SPD. Der Hinweis, dass sich Angebotsengpässe nicht mit einer künstlich erhöhten Nachfrage beseitigen lassen, wird dort kaum helfen. Hier kommt der dritte Faktor ins Spiel. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Rückkehr zur Schuldenregel zu seinem zentralen Projekt gemacht. Er kann nicht umfallen, ohne politischen Totalschaden zu erleiden. So spricht viel dafür, dass die Schuldenbremse greift. Ob gegebenenfalls die Regeln nochmals gedehnt werden, steht auf einem anderen Blatt.

Contra

Die Zweifel wachsen

Foto: Handelsblatt/Marc-Steffen Unger
Thomas Sigmund
ist Korrespondent beim "Handelsblatt" in Düsseldorf.
Foto: Handelsblatt/Marc-Steffen Unger

Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld? Der Karnevalsschlager von Jupp Schmitz kommt einem bei der Debatte über die Schuldenbremse in den Sinn. Der Bundesfinanzminister betont bei jeder Gelegenheit, dass er für alles und jeden genügend Pinkepinke hat. Doch auch wenn man daran gerne glauben würde: Die begründeten Zweifel wachsen von Tag zu Tag.

Die Zusage des Kanzlers "You'll never walk alone" wird einfach teuer. Das muss gar kein Vorwurf sein gegen eine Politik, die sich gerne mit dem Geld der Bürger in die Retterpose wirft. Aber allein ein Blick in das Dritte Entlastungspaket mit einem Umfang von 65 Milliarden Euro zeigt, dass es bei der Finanzierung nur Hoffnungswerte gibt. Diesmal sollen es die sogenannten Zufallsgewinne richten, von denen aber keiner weiß, wie und wann die Einnahmen daraus sprudeln. Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr werden als Sondervermögen deklariert, um die Schuldenbremse einzuhalten. Doch Schulden sind Schulden. Da hilft kein Schattenhaushalt. Dabei geht es schon lange nicht mehr um die Rückzahlung der Staatsschulden in Höhe von 2,4 Billionen Euro. Damit müssen unsere Kinder und Enkel fertigwerden.

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Jetzt geht es nur noch darum, so zu tun, als ob man nicht so viele neue Schulden aufnehmen will. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat gerade vorgemacht, wie er die Atomkraftwerke am Netz behält und trotzdem juristisch sauber Ende des Jahres aus der Kernenergie aussteigt. Das hätte der weltbekannte Zauberer Houdini nicht besser hinbekommen. Der Finanzminister übt schon an einem neuen Trick: die Illusion, die Schuldenbremse einzuhalten, die es schon lange nicht mehr gibt.