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Innenpolitik der Ampel : "Wir lassen uns das nicht bieten"

Abgeordnete führen Grundsatzdebatte zur Innenpolitik der Ampel und machen Kampfansage gegen Gewalt bei Corona-Protesten.

17.01.2022
2024-01-18T14:39:31.3600Z
3 Min

Nicht nur die wechselnden Virusvarianten und Inzidenzzahlen beherrschen auch im schon dritten Pandemie-Jahr Alltag und Nachrichtenlage; kaum weniger bestimmen die anhaltenden Proteste gegen die staatlichen Schutzmaßnahmen mit Regelverstößen und Übergriffen die öffentliche Diskussion. Kein Wunder also, dass der Umgang mit diesen Protesten vergangene Woche auch die Grundsatzdebatte des Bundestages über innenpolitische Vorhaben der Ampelkoalition über weite Strecken prägte. Dabei nutzte die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Gelegenheit, ein entschiedenes Vorgehen gegen gewalttätige Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen anzukündigen.

Die Mehrheit der Bevölkerung verhalte sich in der Pandemie solidarisch und rücksichtsvoll, doch zeigten sich auch "Risse in unserer Gesellschaft, Protest, Erschöpfung, Wut", sagte Faeser. Protest gehöre zur Demokratie, doch "lassen Sie sich nicht von Extremisten vor den Karren spannen", mahnte die Ministerin. Statt sogenannter Spaziergänge sehe man organisierte Aktionen an vielen Orten gleichzeitig, bei denen es immer wieder zu Gewalt und massenhaften Verstößen gegen Corona-Regeln komme. Dabei würden Rechtsextremisten zunehmend regional an Einfluss gewinnen, die nicht gegen Corona, sondern gegen die Demokratie kämpften.

"Wir lassen uns das nicht bieten", betonte die Ressortchefin. Bei Gewalt müsse der Rechtsstaat hart durchgreifen; die Täter müssten mit konsequenter Strafverfolgung rechnen. Auch werde man dafür sorgen, dass Hetzer identifiziert und zur Verantwortung gezogen werden. Das gelte bei Corona-Demonstrationen wie im Internet.

Faeser versicherte zugleich, alle extremistischen Bedrohungen im Blick zu haben. Die größte Gefahr für die Demokratie sei dabei der Rechtsextremismus, dessen Bekämpfung für sie eine besondere Priorität habe, fügte die Ministerin hinzu und kündigte die Vorlage eines Aktionsplans gegen Rechtsextremismus bis Ostern an.

Auch Andrea Lindholz (CSU) wertete den Rechtsextremismus als eine "zentrale Bedrohung". Bei dessen Bekämpfung habe die Bundesregierung die CDU/CSU-Fraktion "fest an ihrer Seite". Für die Union sei zugleich wichtig, dass der Kampf gegen jede Form von Extremismus entschlossen geführt werde. In der zurückliegenden Wahlperiode habe man bei den Sicherheitsbehörden tausende neue Stellen zur Extremismusbekämpfung geschaffen. Diese Behörden bräuchten aber auch moderne Befugnisse. Dazu stehe weder im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FPD etwas, noch habe Faeser in ihrer Rede etwas dazu gesagt.

Lamya Kaddor (Grüne) sagte, die Demokratie in Deutschland sei stark, werde aber aus unterschiedlichen ideologischen Richtungen und insbesondere von rechten Netzwerken oder sogenannten Querdenkern bedroht. Wer gegen die Anti-Corona-Maßnahmen protestieren wolle, solle dies unbedingt tun dürfen. Dabei trage aber jeder einzelne selbst die Verantwortung dafür, "mit wem man untergehakt auf Demos mitläuft", betonte Kaddor, die von einer "Unterwanderung sogenannter Spaziergänge durch rechtsextreme Netzwerke" sprach.

Gottfried Curio (AfD) warf der Innenministerin eine "faktenbefreite Diffamierung von regierungskritischen, friedlichen Spaziergängern" vor und beklagte eine "Schikanierung von Ungeimpften". Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei "weg", doch "das System Merkel" regiere, fügte Curio hinzu. Zugleich forderte er, illegale Migranten zurückzuweisen oder abzuschieben und Zuwanderungsanreize abzustellen. Man brauche keine "Werbeaktion für Massenmigration" und kein "Aufbauprogramm für Clanbildung".

Konstantin Kuhle (FDP) sah den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Pandemie-Zeiten besonders auf die Probe gestellt. Die Menschen seien der Pandemie und der Anti-Corona-Maßnahmen müde, was zu Enttäuschung und Verdruss führe. Alle demokratischen Kräfte müssten dafür stehen, "dass diejenigen, die diesen Verdruss und diese Enttäuschung für ihre extremistische Agenda nutzen wollen, damit keinen Erfolg haben können". Wer Journalisten, Wissenschaftler, Kommunalpolitiker oder ehrenamtliche Helfer angreife, begehe Straftaten, die hart bestraft werden müssten.

Martina Renner (Linke) begrüßte, dass unter Faeser aus dem Bundesinnenministerium "neue Töne" insbesondere zum "Kampf gegen rechts" zu vernehmen seien. Die Linke erwarte von der Bundesregierung nun schnelle, wirksame Maßnahmen, um rechte Gewalt und rechten Terror zu stoppen. Zugleich forderte Renner die Regierung auf, sich in der Migrationspolitik für sichere Fluchtwege einzusetzen und den Ländern ihr Einverständnis zu erteilen, wenn diese "Landesaufnahmeprogramme für Schutzsuchende vorlegen".

Dirk Wiese (SPD) beklagte, die Demokratie werde von unterschiedlichen Seiten angegriffen. Dabei stelle sich die Koalition "allen Verfassungsfeinden, gewaltbereiten Bestrebungen und Verschwörungsideologien" entgegen, unterstrich Wiese und begrüßte, dass Faeser den Rechtsextremismus als aktuell größte Gefährdung bezeichnet habe. Richtig sei auch das Bekenntnis im Koalitionsvertrag, "Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst leichter zu entfernen".