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Gastkommentare - Pro
Helene Bubrowski, "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Besser als der Zufall

IP-ADRESSEN SPEICHERN?

S eit mehr als 15 Jahren streitet die Politik über die Vorratsdatenspeicherung. In dieser Frage zeigt sich das Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit wie unter einem Brennglas: Darf man die Daten aller Bürger speichern, weil die Polizei einen Teil davon zur Strafverfolgung braucht? Der Europäische Gerichtshof hat nun klargemacht, dass das keine Frage von Ja oder Nein ist, sondern von welche und wie lange. Er hat verschiedene rechtssichere Wege aufgezeigt. Einer davon: die allgemeine Speicherung von IP-Adressen für eine begrenzte Zeit.

IP-Adressen geben Rückschluss darauf, über welches Gerät Internetaktivitäten gelaufen sind. Sie werden bei jeder Einwahl neu vergeben. Für Ermittler sind sie oft der einzige Ansatzpunkt, um Straftaten im Internet aufzuklären, aber derzeit hängt es vom Zufall ab, ob die Adresse noch einem Anschluss zugeordnet werden kann.

Im Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornographie ist die Anzahl der Verfahren, in denen mangels gespeicherter IP-Adresse kein Täter ermittelt werden konnte, wegen verbesserter Kooperation der Behörden gesunken. Es bleiben aber mehr als 2.000 Verbrechen pro Jahr, die deshalb ungesühnt bleiben. Die Bedeutung von IP-Adressen im Kampf gegen Extremismus steht weniger im Fokus, obwohl sie da sehr hilfreich wären. Das zeigt der Terroranschlag von Hanau: Der Täter hatte auf seiner Internetseite rassistischen Hass verbreitet, es gab 500 Zugriffe vor der Tat. Es ist nicht mehr zu ermitteln, ob das Mitglieder eines rechtsextremem Netzwerks waren.

Datenschutz hat zurecht einen hohen Stellenwert, aber er gilt nicht absolut. Ohne die Speicherung von IP-Adressen zahlt die Gesellschaft an anderer Stelle einen Preis, der zu hoch ist.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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