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Energiekrise : Die stolze Atomnation Frankreich hat Probleme

Deutschlands Nachbar braucht kaum russisches Gas. Warum Paris dennoch den Winter fürchtet.

24.10.2022
2023-12-18T14:55:00.3600Z
4 Min

In Deutschland soll der um wenige Monate verlängerte Betrieb von drei Atomkraftwerken Teil der Lösung im Umgang mit der Energiekrise sein. In Frankreich ist der Ausfall von zeitweise mehr als jedem zweiten der insgesamt 56 AKW des Landes ein Teil des Energie-Versorgungsproblems.

Foto: picture-alliance/dpa/Bertrand Bechard

Viele Atomkraftwerke in Frankreich- wie das in Civaux - wurden abgeschaltet.

Deutschland hat in der Vergangenheit, als Brückentechnologie auf dem Weg in eine CO2-freie Zukunft mit erneuerbaren Energien, vor allem auf Gas gesetzt - und sich dabei in starke Abhängigkeit von russischen Importen begeben. Nicht zuletzt, um das zu vermeiden, hat Frankreich seit Jahren auf möglichst weitgehend selbst produzierten Atomstrom gesetzt. Dennoch leiden beide unter den Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, den westlichen Sanktionen und Moskaus Reaktion darauf: Energieknappheit und enorme Preissteigerungen für Strom, Gas und Öl versetzen die Regierungen in den Krisenmodus.

Ausfall zahlreicher Kraftwerke 

Für die stolze Atomnation Frankreich kommt es einer Kränkung gleich, dass das Land jetzt teuren Strom im Ausland, auch aus Deutschland einkaufen muss, um etwaige Ausfälle im Winter zu verhindern. Wie konnte es soweit kommen?

Frankreich deckt 70 Prozent seines Energiebedarfs mit Atomkraft. Im Jahr 2022 aber wird das Land nach Auskunft des Energieunternehmens Electricité de France (EDF), Betreiber aller Atomkraftwerke in Frankreich, voraussichtlich so wenig Atomstrom produzieren wie seit 30 Jahren nicht. Grund ist der gleichzeitige Ausfall zahlreicher Kraftwerke wegen dringender Wartungs- und Reparaturarbeiten. Etwa ein Dritteln läuft seit mehr als 40 Jahren, länger als vorgesehen. Aber auch jüngere, leistungsstärkere Reaktoren haben teils sicherheitsrelevante technische und korrosionsbedingte Probleme. Und als die Flüsse während der Sommerhitze nicht genug Wasser trugen, um die Kühlung zu garantieren, mussten einige der funktionierenden Kraftwerke ihre Leistung runterfahren.

Deutschland betroffen

Mittelbar sind auch die deutschen Stromkunden Leidtragende der Entwicklung. Denn Frankreichs Nachfrageboom nach Strom aus dem Ausland treibt die Stromkosten in die Höhe: Im September 2021 kostete die Megawattstunde Strom durchschnittlich mehr als 120 Euro - derzeit liegt der Börsenstrompreis deutlich darüber.

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Frankreichs Regierung hofft, dass wenigstens ein Teil der abgeschalteten AKW bald wieder angefahren werden kann. Viele zweifeln daran. Und dennoch: "Unsere wirtschaftliche und energetische Zukunft hängt von der Atomkraft ab", hatte Staatspräsident Emmanuel Macron schon in einer Rede vor zwei Jahren gesagt. Und nun pocht er auf seinem Plan für eine Renaissance von Frankreichs Atomkraft. Danach sollen sogar sechs bis acht neue Atomkraftwerke neu gebaut und der Energiekonzern EDF wieder voll verstaatlicht werden.

Ob das hilft? Akut jedenfalls nicht. Der Bau eines Reaktors dauert Jahre. Selbst wenn alles reibungsfrei liefe, könnte der erste neugebaute wohl nicht vor 2035 ans Netz gehen. Es läuft aber nicht immer reibungsfrei. In der Normandie wird seit 2007 an einem Reaktor gebaut. Der sollte eigentlich 2012 ans Netz gehen. Inzwischen wurde der Start auf 2023 verschoben. Hinzu kommt eine weitere Unsicherheit: Rund 20 Prozent seines Uranbedarfs bezieht Frankreich laut "Le Monde" über den Umweg Kasachstan von der Atomenergiegesellschaft Rosatom. Und die untersteht dem Kreml.