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Reform des Römischen Statuts : Schuld und Sühne

Die Verfolgung russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine stößt auf Hindernisse. Die EU-Kommission fordert, eine internationale Strafverfolgungsbehörde einzurichten.

06.03.2023
2024-02-09T14:38:30.3600Z
3 Min

Wie können russische Kriegsverbrechen in der Ukraine gesühnt werden? Die Diskussion über diese Frage gewinnt ein Jahr nach Beginn des Angriffskrieges an Brisanz. In seiner jüngsten Videoansprache forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut eine strafrechtliche Aufarbeitung auf internationaler Ebene. Zuvor hatte er in Kiew mit Chefankläger Karim Khan vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag IStGH über das Thema gesprochen.

EU möchte internationale Strafverfolgungsbehörde einrichten

Das Problem: Zwar ermittelt das Gericht bereits zu mutmaßlich russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Doch darf es wegen des Verbrechens der "Aggression" nicht gegen Moskau vorgehen, da es laut Römischem Statut nur Fälle behandeln kann, in denen Kläger und Beklagte Mitglied des Gerichtshofs sind oder ein Fall vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen überwiesen wird. Weder Russland noch die Ukraine gehören aber dem Gerichtshof an - und Russland würde als ständiges Mitglied mit Vetorecht im UN-Sicherheitsrat eine Überweisung an das Gericht wohl blockieren.

Foto: picture alliance / ANP / "Phil nijhuis"

Der Internationale Strafgerichtshof kann bisher nicht gegen Russland vorgehen.

Vor diesem Hintergrund hatte sich die EU-Kommission Mitte Januar für die Einrichtung einer internationalen Strafverfolgungsbehörde ausgesprochen - einen Weg, für den auch die CDU/CSU-Fraktion seit Monaten wirbt. Vergangene Woche legte sie dem Bundestag einen Antrag zur Einrichtung eines Sondertribunals innerhalb der Europäischen Union vor. Die Union sei nicht bereit, die Lücke im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes hinzunehmen "und den Ukrainern zu erklären, dass das Urverbrechen des Angriffskrieges ungesühnt bleiben muss und das Völkerrecht gegenüber Putin und seinen Ministern und seinen Generälen machtlos bleibt", erklärte Günter Krings (CDU).

Doch ein Sondertribunal auf europäischer Ebene ist rechtlich und politisch umstritten - sowohl in der EU als auch im Bundestag, und so wiesen die übrigen Fraktionen den Vorstoß geschlossen zurück. Für eine rechtssichere Lösung brauche es "viele Bündnispartnerinnen und Bündnispartner, nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt", erklärte Michael Roth (SPD). Ulrich Lechte (FDP) ergänzte, es reiche nicht, nur einseitig ein Sondertribunal zu fordern. "Wir müssen gleichzeitig auch alles in unserer Macht Stehende tun, um den Internationalen Strafgerichtshof zu stärken", damit nicht für jeden Krieg ein eigenes Sondertribunal gebraucht werde.

Linke: Allein auf Erweiterung des Römischen Statuts setzen

Boris Mijatovicć (Bündnis 90/Die Grünen) wies daraufhin, dass auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) für eine zweigleisige Strategie, Sondertribunal plus IStGH-Reform, werbe. Nur so werde "eine echte Auseinandersetzung mit dem Globalen Süden über die Zukunft im Kampf gegen das Aggressionsverbrechen" ermöglicht.

Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke) appellierte an die Bundesregierung, allein auf eine Erweiterung des Römischen Statuts zu setzen. Ein Sondertribunal würde den Vorwurf des Ausnahmerechts bekräftigen und der Legitimation der internationalen Strafjustiz schaden.

Für einen "Verhandlungsfrieden" sprach sich hingegen Stefan Keuter (AfD) aus. Auf dessen Grundlage sollte eine Aufarbeitung erfolgen - "von beiden Seiten, wie die beteiligten Seiten es wollen". Auch die Ukraine habe Kriegsverbrechen begangen.

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In einer öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses hatten sich Anfang Februar bereits zahlreiche Sachverständige für eine Reform des Römischen Statuts ausgesprochen. Ein internationales Sondertribunal nannte unter anderem Christian Walter von der Ludwig-Maximilians-Universität München "nur die zweitbeste Lösung". Letztlich wären beide Optionen mit erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich der Mehrheiten auf globaler Ebene verbunden. Eine schnelle Lösung scheint somit nicht in Sicht.