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Parlamentarisches Profil : Norddeutscher Bayer: Gerold Otten

Der AfD-Abgeordnete diente lange bei der Bundeswehr und gehörte 2013 zu den ersten AfD-Mitgliedern. Heute ist er einer der wenigen Nato-Befürworter in seiner Partei.

06.03.2023
2024-03-13T11:06:33.3600Z
3 Min

Im Politikerleben von Gerold Otten ist viel los. Am Wochenende kam er von einer zehntägigen Parlamentarierreise Südostasien zurück, eine Reise in die USA zur Parlamentarischen Versammlung der Nato steht an - unterbrochen von der Sitzungswoche im Bundestag; eine im Schatten des ersten Kriegsjahres in der Ukraine, das zu Ende geht.

Foto: picture alliance/SZ Photo/Claus Schunk

Gerold Otten ist seit 2017 Mitglied im Deutschen Bundestag. Der Bundestagsabgeordnete und Landratskandidat der AfD sitzt im Gemeinsamen Ausschuss sowie im Verteidigungsausschuss.

Verwunderung über die "Zeitenwende"

Es ist auch ein Jahr Zeitenwende, die Kanzler Olaf Scholz ausrief. "Als ich seinen Worten im Plenum zuhörte, drehte ich mich zu meinem Kollegen um und fragte ihn: 'Hab ich das richtig verstanden?'", erinnert sich Otten. Denn 100 Milliarden Euro und das Ziel eines Verteidigungsetats in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, "das war richtig". Otten, 67, ist Abgeordneter der AfD.

Der in der Nähe Bremens Aufgewachsene und nun im Wahlkreis München-Land Lebende hat von Geburt an keine Berührungsängste mit der SPD, war sein Vater doch 25 Jahre lang SPD-Bürgermeister des Örtchens Lübberstedt. Seine Mutter wählt immer noch die Sozialdemokraten, "aber sie freut sich trotzdem, wenn sie mich im Fernsehen sieht". Und das Herumkommen kennt er von seinem früheren Beruf, war er doch Waffensystemoffizier für die Flugzeuge Phantom und Tornado der Bundeswehr mit über 2.000 Flugstunden und den letzten drei Berufsjahren in Großbritannien.

"Kriege nicht aus moralischen Gründen führen"

Ein Gespräch mit ihm über den Krieg in der Ukraine führt zuweilen an Punkte heran, bei denen es nicht weitergeht. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin nennt er einen Aggressor, der einen Angriffskrieg führe, keine Frage. Aber man müsse seine Interessen definieren, sagt er. "Und unsere Interessen sind nicht derart berührt, dass man Waffen liefern muss." So hart es auch klinge, "aber es gibt auch andere Kriege in anderen Ländern, in die wir nicht eingreifen". Aber was ist mit Moral und Humanismus als Kriterien? "Man sollte keinen Krieg aus moralischen Gründen führen." Außerdem würde die Ukraine nicht jene Waffen bekommen, die sie benötige, nämlich welche mit langer Reichweite, "das ist zynisch". Und die Verweigerung der Solidarität über die Lieferung anderer Waffen, sei das nicht zynischer? Für Otten ist es das gleiche.

Es ist nicht so, dass er nicht weiß, worüber er spricht. Noch hat er die Worte seiner Mutter im Ohr, die ihm vom Brandgeruch erzählte, der ihr in die Nase gestiegen war, als sie in den Endtagen des Zweiten Weltkriegs als Kind nach Fliegerangriffen aus dem Bunker nach oben kam. "Mir tun die Ukrainer wirklich leid."


„Anders als in Polen oder Tschechien stoße ich in Ostdeutschland andauernd auf Verständnis für das russische Vorgehen.“
Gerold Otten (AfD)

Klischees passen selten, und auf ihn erst recht nicht. Otten ist Befürworter der Nato, kämpft in seiner Partei einen harten Kampf dafür. Und schüttelt über manche Ansichten den Kopf. "Die AfD sollte kritischer gegenüber Putin auftreten." Einiges begreife er nicht. "Anders als in Polen oder Tschechien stoße ich in Ostdeutschland andauernd auf Verständnis für das russische Vorgehen. Vielleicht ist es ein deutsches Phänomen, dass wir uns als Unterlegene stärker mit den Siegern identifizieren", sagt er mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg und die DDR mit ihrer Verbundenheit mit der Sowjetunion sowie Westdeutschland mit den USA.

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In die AfD kam er frühzeitig. Nachdem er während seiner Zeit bei der Bundeswehr konservativer geworden sei und 1989 in die FDP eingetreten war, gehörte Otten 2013 zu den ersten AfD-Mitgliedern. "Vor allem die Verstöße gegen die Maastricht-Kriterien und die damit verbundenen Rechtsbrüche wurmten mich." Otten, der nach der frühen Rente ob des Luftwaffenberufs beim Luft- und Raumfahrtkonzern DASA arbeitete, ist innerhalb der AfD eher ein Wertkonservativer, der meint, die AfD sei in den vergangenen Jahren nicht konsequent nach rechts gewandert. "Durch die Verweigerung der Teilhabe hat sich eine gewisse Wagenburgmentalität herausgebildet", sagt er. "Die Kommunikation geht oft mehr nach innen als nach außen, da will man dann die Likes in der eigenen Blase abgreifen." Social Media und Otten, das sind zwei Gegensätze. Er wolle die Leute außerhalb dieser Echokammern erreichen. Über ihm schaut grimmig Friedrich der Große von einem Gemälde herab.