Die Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte vor dem Hintergrund der Machtübernahme in Afghanistan durch die Taliban 2021 hat im Mittelpunkt von Zeugenbefragungen des 1. Untersuchungsausschusses in der vergangenen Woche gestanden. Dabei erläuterte der Referatsleiter SE I 5 im Bundesverteidigungsministerium (BMVg) - nach eigener Aussage zuständig für die Entsendung von Krisenunterstützungsteams und die Entwicklung von Einsatzkonzepten -, dass es seit dem 22. April 2021 eine Eventualplanung für Evakuierungen aus Afghanistan gegeben habe. Grund dafür sei der absehbare Abzug der Nato-Truppen aus dem Land gewesen. Für die Phase nach dem Abzug wollte man gut aufgestellt sein, so der Referatsleiter.
Hinsichtlich einer möglichen Evakuierung sei man vor allem von deutschen Staatsangehörigen ausgegangen, für den Fall, dass angesichts einer eventuellen Lageverschärfung "normale Ausreisen" aus Afghanistan nicht mehr möglich seien. Im Laufe der Zeit sei diese Eventualplanung um weitere Möglichkeiten ergänzt worden.
Erstmals über die Evakuierung von Ortskräften geredet worden sei seiner Erinnerung nach bei einem Krisentreffen am 13. August 2021. Der Zeuge machte weiterhin deutlich, dass anfangs von einer Zahl zu evakuierender Personen von etwa 300 ausgegangen worden sei. Planungsgrundlage seien 260 deutsche Staatsbürger und etwa 60 Ortskräfte gewesen. Das sei noch der Stand während besagter Krisensitzung am 13. August 2021 gewesen. Die Zahl habe sich innerhalb von zwei Tagen dynamisch entwickelt. Der Beschluss zur Evakuierung sei schließlich am 15. August 2021 gefallen. Man sei darauf gut vorbereitet gewesen, befand der Ministeriumsvertreter.
Frühzeitiger Versuch Von einem noch frühzeitigeren Versuch, Ortskräfte auszufliegen, berichtete im Anschluss der als Zeuge geladene und für die Logistik der Rückverlegung zuständige Referatsleiter SE III 4 im BMVg. Als Logistiker habe er am 17. Juni 2021 den Auftrag bekommen, für etwa 300 Ortskräfte einen Lufttransport sicherzustellen, sagte er. Seinerzeit hätten nur geschützte Flugzeuge der Bundeswehr Masar-i-Scharif anfliegen dürfen, die aber ausgelastet gewesen seien. Zivile Flugzeuge seien jedoch zu dem Zeitpunkt Masar-i-Scharif noch angeflogen. Daher habe er über den Rahmenvertragspartner der Bundeswehr, Kühne und Nagel, zwei Flugzeuge gechartert. Diese habe er am 22. Juni 2021 auf Weisung seiner Abteilungsführung wieder stornieren müssen.
Ihm sei als Grund dafür gesagt worden, dass das in Masar-i-Scharif verbliebene Restkontingent an Bundeswehrkräften nicht in der Lage gewesen sei, die mit den Flügen verbundenen Abfertigungen zu leisten. Dazu hätten seinerzeit auch noch Covid-Testungen gehört.
Wie es genau zu der Entscheidung gekommen sei, die Charterflüge zu stornieren, könne er aber nicht sagen. Ebenso wenig wisse er, wie es zu dem - am Ende gescheiterten - Plan kam, die Ortskräfte auszufliegen. Auch eine mögliche Einflussnahme von Seiten des Auswärtigen Amtes sei ihm nicht bekannt.
Der Zeuge bezeichnete die Rückverlegung des Materials der Bundeswehr nach Beendigung des Afghanistan-Einsatzes als "hervorragend gelungen". Es sei eine der größten, komplexesten und zeitkritischsten logistischen Operationen gewesen, die die Bundeswehr je durchgeführt habe, sagte der Ministeriumsmitarbeiter. Ziel sei eine "geordnete Rückverlegung" gewesen. "Wir wollten Bilder der Flucht unbedingt vermeiden", machte er vor den Abgeordneten deutlich.
Bis in die späten Abendstunden befragte der Ausschuss auch noch einen Referenten aus der Abteilung SE II 1, Einsatzplanung, Abzugsplanung, des Verteidigungsministeriums.
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