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Proteste von LKW-Fahrern : Ein Ausnahme-Wirrwarr

Das Entsenderecht soll reformiert werden. Sie soll künftig auch LKW-Fahrer umfassen.

02.05.2023
2023-11-30T16:18:26.3600Z
2 Min

Weil sie teilweise monatelang kein Gehalt erhielten, haben über 60 Lkw-Fahrer aus Georgien und Usbekistan fünf Wochen lang auf einem Rastplatz im hessischen Gräfenhausen protestiert. Der polnische Unternehmer schickte eine Sicherheitsfirma, wollte die Proteste gewaltsam auflösen. Letztendlich ging er auf die Forderungen der Protestierenden ein. Diese hätten ein Zeichen gesetzt und auf die schlechten Arbeitsbedingungen in der Branche aufmerksam gemacht, sagte Pascal Meiser (Die Linke) am vergangenen Donnerstag während einer Debatte zur EU-Straßenverkehrsrichtlinie (2020/1057). Per Gesetzentwurf will die Bundesregierung diese in nationales Recht übertragen werden.

Viele Kompromisse, viele Ausnahmen

Prinzipiell sehe die Richtlinie vor, dass das Entsenderecht künftig auch für Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer gelten solle, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Kramme (SPD). Dabei gehe es unter anderem um Regelungen zum Mindestlohn sowie Ruhe- und Pausenzeiten. Allerdings seien durch die Vorgaben der EU-Richtlinie auch eine ganze Reihe von grenzüberschreitenden Beförderungen wie beispielsweise bilaterale Transporte ausgenommen, sagte sie.

Das Gesetz regelt außerdem die Einführung des sogenannten Binnenmarkt-Informationssystems (IMI). Dadurch müssten sich Unternehmen künftig nicht mehr mit den unterschiedlichen Meldeportalen der Mitgliedstaaten auseinandersetzen.

Besonders die Einführung des IMI ist laut Wilfried Oellers (CDU) "sehr zu begrüßen". Insgesamt sei das Gesetz an Wert nicht zu unterschätzen. Die Richtlinie sei schon bei ihrer Entwicklung in der Europäischen Union sehr umstritten gewesen: "Da standen sich wirklich die westeuropäischen und die osteuropäischen Staaten gegenüber", sagte Oellers.


„Das Gesetz ist gut, die EU-Straßenverkehrsrichtlinie aber definitiv nicht.“
Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen)

"Das Gesetz ist gut, die EU-Straßenverkehrsrichtlinie aber definitiv nicht", urteilte Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen). So müsse der Mindestlohn nicht gezahlt werden, wenn ein Kraftfahrer beispielsweise nur zwischen Deutschland und Bulgarien hin- und herfahre. Dann gilt laut Müller-Gemmeke der bulgarische Mindestlohn von 2,41 Euro. Da das Entsenderecht im Straßenverkehr "fast nur aus Ausnahmen" bestehe, müsse dringend nachgebessert werden.

Lkw-Fahrer würden "anständige Löhne und Arbeitsbedinungen" verdienen, sagte Carl-Julius Cronenberg (FDP). Dies sei auch im Interesse der Wirtschaft. Der Binnenmarkt sei "hochgradig arbeitsteilig" und Lieferketten "komplex und praktisch immer grenzüberschreitend". Ohne gute Bedingungen drohe ein Arbeitskräftemangel in dieser Branche.

Auch SPD-Politiker Manuel Gava betonte, dass die Politik bei den Ausnahmeregelungen nachbessern müsste: "Es kann nicht sein, dass wir so einen Wirrwarr haben, dass selbst der Zoll nicht hinterherkommt".

Dirk Brandes (AfD) kritisierte, dass der Gesetzentwurf die "Hintertür für Sozialdumping durch ausländische Transportunternehmen" nicht schließe. Als Grund nennt er mangelnde Kontrollen. Um diese zu verschärfen, hat die AfD einen eigenen Antrag (20/6534) zur EU-Straßenverkehrsrichtlinie in die Debatte eingebracht.

Zur weiteren Beratung wurden der Gesetzentwurf und der Antrag an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.