Kurz rezensiert : Stimmen aus dem Krieg
Die russische Exil-Journalistin Katerina Gordeeva präsentiert Schicksale aus dem russisch-ukrainischen Krieg.

Die stets schwarz gekleidete Journalistin Katerina Gordeeva hat auf ihrem Youtube-Kanal "Sage Gordeeva" über 1,5 Mio. Follower. Die frühere Fernsehmoderatorin des Moskauer Senders NTW und Dokumentarfilmerin, vorwiegend zu sozialen Themen, gehört zu den populärsten und meinungsstärksten russischen Journalisten. Dass sie unmittelbar nach der Annexion der Krim 2014 ihre Heimat verlies, machte sie in den Augen ihrer Zuschauer nur glaubwürdiger. Das gilt vor allem im Vergleich zu anderen Publizisten, die erst nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eine kritische Haltung zum Kreml-Regime entwickelten.
Gordeeva interviewt auf ihrem Youtube-Kanal russische Oppositionelle, wie Evgenij Roisman, den Kriegskritiker Oleg Orlov oder die Schauspielerinnen Lia Achedzhakova und Tschulpan Chamatova, eine frühere "Vertrauensperson Präsident Putins". Mit Gordeeva sprach auch der in Russland gebliebene Rockmusiker Jurij Schewtschuk, dessen Konzerte inzwischen verboten sind, weil er sich öffentlich gegen den Krieg stellte.
Unterdessen wurde die Journalistin vom russischen Justizministerium als "ausländische Agentin" gebrandmarkt; viele ihrer Follower betrachten dies als Auszeichnung. In ihrem Dokumentarfilm über die Kriegsflüchtlinge kommen Ukrainerinnen aus Mariupol und Donezk genauso zu Wort wie Kriegerwitwen aus der russischen Provinz.
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Aus diesen Interviews ist ein lesenswertes Buch entstanden, in dem Gordeeva ihre Heimat immer wieder "das Angreiferland" nennt. Nachdrücklich widerlegt darin die russischsprachige Ukrainerin Ljuda Putins "Befreiungs"-Narrativ: "Als ich hörte, dass die russischen Soldaten uns befreien kommen, war ich erstaunt: Vor wem wollen sie uns denn befreien? Wir sind doch frei! Wir (...) sprachen die Sprache, die wir sprechen wollen. Sie waren gekommen, um uns zu vernichten."

Katerina Gordeeva:
Nimm meinen Schmerz.
Geschichten aus dem Krieg.
Droemer,
München 2023;
352 Seiten, 24,00 €