Piwik Webtracking Image

Foto: picture alliance/M.i.S./Bernd Feil
Das E-Rezept soll ab dem 1. Januar 2024 als verbindlicher Standard etabliert werden und über eine App im Rahmen der elektronischen Patientenakte einfach nutzbar sein.

Modernisierung im Gesundheitswesen : Lauterbachs digitaler Doppelschlag

Mit zwei Gesetzen will die Ampel die schleppende Digitalisierung im Gesundheitswesen voranbringen. Die elektronische Patientenakte soll Standard für alle werden.

10.11.2023
2024-03-14T13:46:26.3600Z
4 Min

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist keine Erfolgsgeschichte. Schon seit vielen Jahren versuchen sich Gesundheitspolitiker daran, aber die Fortschritte sind bescheiden. Beispiel: Die elektronische Patientenakte (ePA). Schon seit Jahresanfang 2021 können die gesetzlich Versicherten die Akte bei ihrer Krankenkasse beantragen. Gleichwohl ist die Nutzung der ePA bislang so bescheiden, dass von einem breiten Fortschritt in der Versorgung nicht gesprochen werden kann. In der Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen ist das Ziel verankert, dass mindestens 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine ePA verfügen sollen. Die Bundesregierung sieht in der ePA gar das "Herzstück des digitalen Gesundheitswesens".

Damit die Digitalisierung endlich vorankommt, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zum digitalen Doppelschlag ausgeholt. Das Digitalgesetz der Bundesregierung sieht nunmehr vor, dass die ePA 2025 für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet wird. Zwar bleibt die ePA eine freiwillige Anwendung, allerdings müssen Versicherte, die keine Akte wollen, aktiv widersprechen. Mit der Umstellung auf das Widerspruchsverfahren (Opt-out) soll die Zahl der Nutzer substanziell erhöht werden.

​​​​​​​Eckpunkte der Digitalgesetze

Neuerungen: Anfang 2025 wird die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet. Wer die Akte nicht will, kann widersprechen. Auch das elektronische Rezept soll 2024 verbindlich und mit einer App leicht handhabbar werden. Künftig soll es auch mehr Videosprechstunden geben.

Forschung: Gesundheitsdaten sollen für gemeinwohlorientierte Zwecke leichter und schneller nutzbar gemacht werden. Geplant ist eine neue Datenzugangs- und Koordinierungsstelle.



Der Gesetzentwurf sieht weitere Neuregelungen vor, um die Digitalisierung zu stärken. So soll das E-Rezept bereits ab dem 1. Januar 2024 als verbindlicher Standard etabliert werden und über eine ePA-App einfach nutzbar sein. Die Telemedizin soll insbesondere mit Videosprechstunden umfassender eingesetzt werden. Dazu ist die Aufhebung der Mengenbegrenzung vorgesehen. Ferner zielt die Reform auf die stärkere Nutzung Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA), also Apps.

Der zweite Teil des Doppelschlags betrifft die Nutzung der Gesundheitsdaten, etwa für die Forschung. Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz soll eine dezentrale Gesundheitsdateninfrastruktur in eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle münden. Personenbezogene Gesundheitsdaten sollen durch eine Verpflichtung der Forscher zur Geheimhaltung sowie die Einführung einer Strafnorm besonders geschützt werden.

Systematischer ausgewertet werden sollen künftig die Daten der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, die Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen und die Daten aus der ePA. Für die Datenfreigabe aus der ePA wird ebenfalls ein sogenanntes Opt-Out-Verfahren eingeführt.

"Digitalisierung wird Arbeit erleichtern"

Gesundheits-Staatssekretär Edgar Franke, (SPD) der für den erkrankten Lauterbach die Gesetzentwürfe einführte, sagte, die Digitalisierung werde die Arbeit erleichtern und die Versorgung verbessern. Mit der ePA könne die Krankengeschichte von Patienten systematisch erfasst werden. Damit werde Zeit für die Patienten gewonnen und Bürokratie reduziert. Derzeit scheitere die Datennutzung häufig an unterschiedlichen rechtlichen Regelungen auf verschiedenen politischen Ebenen. "Am Ende sehen manche den Wald vor lauter Bäumen nicht." Es sei überfällig, in der Digitalisierung eine Aufholjagd zu beginnen.


„Es gibt ein unermessliches kommerzielles Interesse an diesen, unseren Gesundheitsdaten.“
Kathrin Vogler (Die Linke)

Erwin Rüddel (CDU) forderte einige Änderungen. Wichtig sei etwa die konsequente Weiterentwicklung der Telemedizin. In der Corona-Pandemie sei deutlich geworden, wie offen die Menschen gegenüber dieser neuen Technik seien. Die Gleichwertigkeit der Telemedizin zu analogen Leistungen dürfte nicht auf Videosprechstunden begrenzt werden. Rüddel betonte: "In einer Welt, die sich ständig weiter entwickelt, ist die Integration digitaler Technologien in das Gesundheitswesen ein unumgänglicher Fortschritt, der das Potenzial hat, das Leben von Millionen zu verbessern."

Janosch Dahmen (Grüne) sprach von einem Meilenstein. "Wir bringen Deutschland zurück auf die Überholspur, anschlussfähig an ein modernes Gesundheitswesen." Deutschland habe bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen viele Jahre verloren. Mit der ePA bekämen Patienten quasi eine Datenbrille und könnten sehen, was über sie gespeichert sei und dann selbst entscheiden, wer Einblick in die Daten erhalte. Der Alltag "mit Zettelwirtschaft aus der Mottenkiste" werde in das digitale Zeitalter überführt.

Sorge vor dem gläsernen Patienten

Eher skeptisch äußerten sich Redner von AfD und Linksfraktion. Barbara Benkstein (AfD) sagte, bei der ePA sei der "Pferdefuß", dass Patienten der angestrebten Datennutzung aktiv widersprechen müssten. Sie forderte eine bessere Aufklärung der Bevölkerung zu dem Thema. Ähnliche Bedenken äußerte Kathrin Vogler (Linke), die betonte: "Den gläsernen Patienten lehnen wir aus guten Gründen ab." Patienten müssten selbst entscheiden können, wer ihre Daten nutzen dürfe. Das Opt-Out-Verfahren bei der ePA sei unverantwortlich. Sie warnte: "Es gibt ein unermessliches kommerzielles Interesse an diesen, unseren Gesundheitsdaten." Am Ende sei kaum noch kontrollierbar, was mit den Daten passiere.

Maximilian Funke-Kaiser (FDP) erinnerte an den 20-jährigen Vorlauf der ePA, ein Versprechen, das nun eingelöst werde. Die Digitalisierung dürfe aber nicht stehenbleiben, machte er klar, und sprach als Zielvorstellung von einem "persönlichen Gesundheitsdatenraum" in der Zukunft. Zuversichtlich äußerte sich auch Matthias David Mieves (SPD), der die konkreten Hoffnungen mancher Patienten schilderte. Es gehe darum, den manchmal schwierigen Patientenalltag einfacher zu gestalten. Damit werde Zeit geschaffen für das, worauf es wirklich ankomme.