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Verwaltungsrecht : Klatsche für Buschmanns Beschleunigungsgesetz

Die Bundesregierung will verwaltungsgerichtliche Verfahren straffen, um Infrastrukturprojekte zu beschleunigen. Doch Sachverständige fürchten weitere Verzögerungen.

30.01.2023
2023-09-27T13:40:03.7200Z
3 Min

Es soll ein erster Baustein der Ampelkoalition sein, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Doch nach der Sachverständigenanhörung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren scheint fraglich, ob dieser Baustein gut gesetzt werden kann. Annähernd alle Sachverständigen übten teils harsche Kritik an dem Entwurf, der federführend vom Bundesjustizministerium unter Minister Marco Buschmann (FDP) ausgearbeitet worden war. Einige Sachverständige forderten, den Entwurf gar nicht weiter zu verfolgen. Zudem verlangten sie, die personelle Ausstattung an Gerichten und in Behörden zu verbessern, sei dies doch einer der wesentlichen Gründe für lange Verfahren.

Entwurfsziel ist es, die bei Planungs- und Genehmigungsverfahren bedeutsamer Infrastrukturvorhaben regelmäßig angestrengten Gerichtsverfahren durch Änderungen in der Verwaltungsgerichtsordnung zeitlich zu straffen. Dazu soll für einige Vorhaben der Instanzenweg verkürzt werden. Bestimmte Verfahren sollen von den Gerichten zudem priorisiert behandelt werden. Die innerprozessuale Präklusion soll verschärft werden, das heißt: Nach Fristablauf vorgelegte Vorträge und Beweismittel sollen vom Gericht unbeachtet bleiben. Vorgesehen ist bei zu beschleunigenden Verfahren auch ein früher Erörterungstermin, um eine gütliche Einigung auszuloten beziehungsweise das Verfahren zu strukturieren. In Eilrechtsschutzverfahren soll unter anderem ein Außer-Acht-Lassen von Mängeln im angegriffenen Verwaltungsakt möglich sein, wenn das Gericht von einer Heilung des Verwaltungsakts ausgeht. Im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz soll zudem eine Klageerwiderungsfrist von zehn Wochen eingeführt werden.

In der Anhörung wurde die Kritik grundsätzlich. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen und Richter am Bundesverwaltungsgericht, Robert Seegmüller, die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht, Ulrike Bick, und der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht, Peter Wysk, wiesen einhellig darauf hin, dass es nur wenig Raum für Beschleunigung in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren gebe. Seegmüller führte aus, dass die Vorschläge des Entwurfs - mit Ausnahme des verkürzten Instanzenweges - "bestenfalls" zu keinen Verzögerungen der gerichtlichen Verfahren führten. Dagegen resümierte der Richter am Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, Fabian Scheffczy, dass die vorgeschlagenen Regelungen überwiegend dazu beitragen könnten, "gewisse Beschleunigungseffekte im gerichtlichen Verfahren zu erzielen". Allerdings nur, wenn die Regelungen zum frühen Erörterungstermin sowie der Klageerwiderungsfrist im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gestrichen würden, sonst drohten eher weitere Verzögerungen.

Früher Erörterungstermin wird unisono abgelehnt

Der frühe Erörterungstermin stieß unisono auf Ablehnung. Die Sachverständigen argumentierten, dass diese Regelung bei den Gerichten zu einem höheren Aufwand führen würde, ohne dass eine tatsächliche Beschleunigung zu erwarten sei. Umstrittener war die Regelung zur Klageerwiderungsfrist. Dagegen sprachen sich vor allem die Vertreterinnen und Vertreter der Richterschaft aus. Richter Scheffczy wandte sich gegen ein Waffengleichheitsargument, nach dem ja auch die Kläger eine zehnwöchige Klagebegründungsfrist hätten. Häufig würden die Kläger eine "abgesägte Schrotflinte" nutzen, führte er aus, also ihre Klage sehr breit und ungezielt ansetzen. Die in dem Entwurf vorgesehene präklusionsbewehrte Erwiderungsfrist würde dazu führen, dass die beklagten Behörden ebenfalls mit Schrot schießen müssten - damit aber das Gericht treffen würden. Das betonte - in weniger martialischen Bildern - auch Richter Seegmüller. Der Vorschlag zwinge zu kleinteiliger Erwiderung und erhöhe den Prüfungsaufwand. Zudem wies Seegmüller darauf hin, dass - wegen der Präklusion - verspätet vorgebrachte Erwiderungen durch die Gerichte dann grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürften und damit möglicherweise rechtmäßige Planung für rechtswidrig erklärt würde.

Mehr Sympathie für die Frist hatte unter anderem die Rechtsanwältin und stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Sachsen, Franziska Heß. Sie äußerte indes europa- und verfassungsrechtliche Bedenken an den geplanten Änderungen im Eilrechtsschutz. Diese Regelung sah auch Rechtsanwalt Remo Klinger vom Deutschen Anwaltverein kritisch. Er führte zudem aus, dass die Änderung gerade bei Klagen gegen Windkraftanlagen nach hinten losgehen und den Ausbau der Windenergie in dieser Legislaturperiode deutlich ausbremsen könnten.

Als einzige Sachverständige äußerte sich die Rechtsanwältin Ines Zenke überwiegend positiv zu den vorgeschlagenen Regelungen in dem Entwurf als einen ersten Schritt. "Wenn man nicht losläuft, kommt man nicht an", sagte Zenke. Weitere Maßnahmen müssten, darin waren sich alle Angehörten einig, aber folgen.