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Verkehr : Von der Straße auf die Schiene

Ab dem 1. Mai soll der ÖPNV bundesweit mit einem Ticket für 49 Euro genutzt werden können. Die Opposition ist damit nicht zufrieden.

13.02.2023
2024-03-05T11:18:11.3600Z
4 Min
Foto: picture-alliance/Daniel Kubirski

Bahn, Bus oder Auto: Gerade in ländlichen Regionen ist der ÖPNV noch deutlich unterentwickelt.

Verbale Superlative sind im Bundestag keine Seltenheit Die geplante Einführung des sogenannten Deutschland-Tickets, mit dem ab dem 1. Mai dieses Jahres der gesamte Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) bundesweit für 49 Euro genutzt werden können soll, ließ so manchen Politiker während der ersten Lesung des entsprechenden Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen besonders ausgiebig von diesem Stilmittel Gebrauch machen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) pries das Ticket als "Multitalent" an, das nicht nur das Klima, sondern auch die Geldbeutel der Menschen schone, die Attraktivität des ÖPNV erhöhe und den Einstieg in den digital gesteuerten intermodalen Verkehr. Die SPD-Abgeordnete Dorothee Martin wähnte sich am vergangenen Donnerstag gar an einem "historischen Tag", weil das Deutschland-Ticket "nichts Geringeres als die größte Revolution im Nahverkehr seit Gründung der Bundesrepublik" darstelle. Und für ihren FDP-Kollegen Valentin Abel ist das Deutschlandticket ein "Gamechanger der Mobilitätspolitik".


„Meine Fraktion wird dem '49-Euro-Murks' die Zustimmung verweigern.“
Wolfgang Wiehle, AfD-Fraktion

Deutlich negativer fiel hingegen das Urteil der Opposition aus. Michael Donth (CDU) vergab zwar durchaus "Pluspunkte" für das Deutschlandticket, um dann aber doch zu bescheinigen, dass unter dem Strich allenfalls eine "Vier minus" stehe, Verkehrsminister Wissing sei "versetzungsgefährdet". Komplett durchgefallen ist das Vorhaben hingegen bei der AfD: Seine Fraktion werde dem "49-Euro-Murks" die Zustimmung verweigern, kündigte Wolfgang Wiehle an.

Der Bund wird sich bis 2025 vorerst mit 1,5 Milliarden Euro an dem gemeinsam mit den Ländern finanzierten Verkehrsprojekt beteiligen. Nach einer Auswertung der Auswirkungen des Deutschlandtickets soll erneut über dessen dauerhafte Finanzierung entschieden werden.

Monatlich kündbares Abo-Modell

Das Ticket soll ausschließlich digital - entweder auf dem Smartphone oder als Chipkarte - in einem monatlich kündbaren Abonnement erhältlich sein. Bis Ende 2023 soll übergangsweise ein Papierticket mit QR-Code ausgegeben werden. Dies jedoch ist einer der Hauptkritikpunkte von Union und AfD. "Wo sollen denn die 10.000 Lesegeräte für die Chipkarten herkommen?" fragte Donth. "Die Busunternehmer sagen uns, dass sie dafür Lesegeräte brauchen und das eben nicht mit dem Handy machen können." Und Wiehle befürchtet, dass die Beschränkung auf ein digitales Ticket viele Menschen ausschließe: Senioren oder Eltern, die ihren Kindern kein Smartphone geben wollen.

Auch wegen des Ticket-Preises ist Kritik aus der Opposition zu vernehmen. Mit 49 Euro sei das Deutschlandticket zu weit weg vom Neun-Euro-Ticket, befand Bernd Riexinger (Linke). Es fehle ein Sozialticket und ein Null-Tarif für Schüler, Studenten und Auszubildende. Der Begriff "Deutschlandticket" solle wohl verschleiern, dass die 49 Euro "nur der Einstiegspreis" sei, mutmaßte Riexinger. "Wird kein Geld nachgeschossen, sind Preiserhöhungen jetzt schon vorprogrammiert." Auch in den Bundesländern, so bestätigte Donth, rechne man "sehr schnell mit einer Preissteigerung".

Ländlicher Raum profitiert weniger

Die AfD wiederum monierte, dass die 1,5 Milliarden Euro des Bundes besser in den Ausbau des ÖPNV in den ländlichen Regionen investiert wäre. "Der Ausbau würde Milliarden kosten, die jetzt aber in die Verbilligung der Tickets fließen", sagte Wiehle. Profitieren würden vor allem jene Menschen, die bereits jetzt über ein gutes ÖPNV-Angebot verfügen. Aufkommen müssten aber alle Steuerzahler für das Ticket.

Übereinstimmend kritisierten Union und AfD zudem, dass das Deutschland-Ticket zwar in den Regionalzügen der Deutschen Bahn gelten soll, nicht aber in privaten Fernbussen, die die gleichen Strecken bedienen. "Der neue Billigtarif ist eine subventionierte Konkurrenz für viele eigenwirtschaftliche Angebote im Fernverkehr", argumentierte Wiehle. Und Donth erkannte darin eine "eindeutige Benachteiligung der Busse und auch des ländlichen Raums und der Menschen auf dem Land".

Verweis auf den Erfolg des Neun-Euro-Tickets

Minister Wissing und die Koalitionsfraktionen wiesen die Kritik der Opposition jedoch weitgehend zurück. Die Behauptung, die Menschen würden den ÖPNV nur bei einer Ausweitung des Angebotes nutzen, sei durch den Erfolg des Neun-Euro-Tickets im vergangenen Jahr widerlegt. 52 Millionen Tickets seien von Juni bis August 2022 verkauft worden, führte Wissing an. Zudem sei es falsch, dass vor allem die Menschen in den Städten profitierten. Auf dem Land seien die regulären Tarife deutlich höher als in der Stadt. "Wer auf dem Land wohnt und weiß, was dort die Einzelfahrten kosten, weiß auch, dass sich das Deutschlandticket schon nach wenigen Fahrten rentiert hat", befand auch sein Parteikollege Abel. Den Bundesländern sei es zudem freigestellt, auch ein günstigeres Sozialticket anzubieten.

Die Sozialdemokratin Martin bezeichnete den Preis des Deutschlandtickets als "sehr attraktiv". Es sei deutlich günstiger als der Großteil heutiger nur regional gültiger Abos. Im Hamburger Verkehrsverbund koste das Monatsabo aktuell 96 Euro und liege somit im Jahr um 564 Euro über dem Deutschlandticket, rechnete sie vor. Durch das Ticket wachse Deutschland auch sozial stärker zusammen. Mobilität müsse sich aber auch im Preis spiegeln, ein Angebot wie das Neun-Euro-Ticket sei auf Dauer nicht tragfähig.

Bettina Jarrasch (Grüne): ÖPNV stößt an seine Grenzen

Angesichts der Berliner Abgeordnetenhauswahl am Wochenende ergriff auch Berlins Umwelt- und Mobilitätssenatorin Bettina Jarrasch (Grüne) das Wort und forderte eine "konsequente Sanierungs- und Ausbauoffensive für das deutsche Schienennetz". Der große Erfolg des Neun-Euro-Tickets habe zugleich eben die Kapazitätsgrenzen des ÖPNV deutlich gemacht. Und auch mit Blick auf die FDP fügte sie hinzu: "Wir brauchen in den nächsten Jahren Milliardeninvestitionen, aber in eine moderne Schieneninfrastruktur, nicht in den Bau neuer Autobahnen."

Jaraschs Parteikollegin und Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik schob dann nach, woher das Geld nach Ansicht der Grünen unter anderem kommen soll: "Dafür müssen wir an die klimaschädlichen Subventionen im Verkehrssektor ran - Stichworte ,Dienstwagenprivileg', ,Diesel', ,Kerosin' - um diese Gelder umzuschichten". Mit dem Deutschlandticket würden "endlich mal die belohnt, die ökologisch unterwegs sind".