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Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte
Zwei Airbus A400M der Luftwaffe überfliegen zu Beginn des Nato-Manövers "Air Defender 2023" Mitte Juni den Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover.

Nationale Sicherheit : Abc der Zeitenwende

Die Ampelkoalition hat die erste Nationalen Sicherheitsstrategie vorgelegt. Das Ziel: Deutschland soll weniger abhängig von autoritären Staaten werden.

19.06.2023
2024-01-13T16:41:21.3600Z
3 Min

Mit ihrem Vorhaben einer Neudefinition der Sicherheit des Landes hat die Koalition länger gebraucht als geplant. Vergangene Woche präsentierten sich der Bundeskanzler und gleich vier seiner Kabinettsmitglieder nun aber geeint bei der Vorstellung der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie. Wird, was länger währt, am Ende auch gut?

Die Strategie bleibt ohne strukturelle Änderungen - es wird zum Beispiel keinen Nationalen Sicherheitsberater geben, wie man sie oder ihn aus anderen Ländern kennt. Das ist ein Kritikpunkt in Teilen der Opposition im Bundestag. Wie die in dem Grundsatzpapier identifizierten Herausforderungen bezahlt werden sollen, ein anderer.

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Die Koalition hält sich zugute, dass sie mit ihrer Strategie Sicherheit erstmals nicht nur durch die übliche außen- und verteidigungspolitische Brille wie im "Weißbuch" betrachtet. Die "Zeitenwende" werde nun hingegen für eine Vielzahl von Politik- und Lebensbereiche ausbuchstabiert: Das Spektrum reicht von Rohstoffen, Lieferketten, kritischen Infrastrukturen über technologische Abhängigkeiten bis hin zum Klimawandel und zur sicherheitspolitischen Dimension von Entwicklungspolitik.

Baerbock: Sicherheit umfasst alle Politikbereiche

Ganz in diesem Sinne argumentierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am vergangenen Freitag bei der Vorstellung der Strategie im Bundestag. Das Dokument spiegle ein neues Verständnis wider, "wie wir im Zuge von Russlands brutalem Angriffskrieg auf die Ukraine und auf die europäische Friedensordnung über Sicherheit denken". Sicherheit könne jedoch nicht nur militärisch verstanden werden, sondern umfasse alle Politikbereiche. So sei der Schutz von Lieferketten und kritischer Infrastruktur nicht bedeutungslos, sondern "macht uns sicherer, weil wir nicht länger abhängig sind von Autokraten und Diktaturen".


„Wir sind sicherer, wenn wir nicht länger abhängig von Autokraten sind.“
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen)

Jürgen Hardt (CDU) kritisierte, dass nicht alle relevanten Akteure angemessen bei der Erstellung der Strategie beteiligt worden seien. Das gelte zum Beispiel für die Innenminister der Bundesländer. Aber "auch wir als Opposition fühlen uns unzureichend einbezogen". Er kritisierte zudem, dass kein Nationaler Sicherheitsrat vorgesehen sei. "Eine Nationale Sicherheitsstrategie muss alle nationalen Akteure für die Sicherheit unseres Landes integrieren. Ein Nationaler Sicherheitsrat wäre das richtige Instrument dafür gewesen", sagte Hardt.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) unterstrich, dass Sicherheitspolitik mehr umfasse als militärische Sicherheit. Sie warb insbesondere für den Ausbau sozialer Sicherungssysteme in ärmeren Ländern. Entwicklungspolitik wirke hier präventiv, sie könne weltweit die Schere zwischen Arm und Reich zu verringern helfen. "Sie bekämpft soziale Ungleichheiten als zentralen Treiber von Konflikten" und trage so auch zur Sicherheit Deutschlands bei.

AfD bemängelt fehlende Mittel

Joachim Wundrak (AfD) sprach von einer "umfangreichen Sammlung von Phrasen aus den Häusern des nun stark erweiterten Sicherheitsbegriffs". Nahezu alles werde nun zur strategischen Sicherheit Deutschlands erklärt. "Aber Geld dafür gibt es nicht." Die Strategie müsse im Übrigen "wie in allen anderen relevanten Ländern absolute Chefsache" sein. Die Federführung gehöre ebenso wie ein "dringend erforderlicher" Nationaler Sicherheitsrat nicht in Baerbocks Ressort, sondern ins Kanzleramt.

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FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff hob hervor, dass innere und äußere Sicherheit nicht mehr getrennt zu betrachten seien. In den Kernpunkten der Strategie - die Definition der nationalen Interessen, die Rolle Chinas im Systemwettbewerb, die gegenwärtige russische Politik - sei die Sprache klar und deutlich. Das gelte auch für das Bekenntnis zu einem umfassenden Multilateralismus, zu Entwicklung, Menschenrechten und Freihandel. Das seien "Signale der Verlässlichkeit", sagte Lambsdorff. "Die Welt weiß, mit was sie es in Deutschland zu tun hat."

Erste Nagelprobe steht bevor

Sevim Dagdelen (Die Linke) sprach von einer "gigantischen Aufrüstung", die sich mit der "Zeitenwende" verbinde. Diese Aufrüstung sei "auf Pump finanziert" und deshalb eine schwere Hypothek für kommende Generationen. Mit der Nationalen Sicherheitsstrategie hänge sich die Bundesregierung "einfach nur an die USA und im fatalen Glauben, die Sicherheitsinteressen der USA seien deckungsgleich mit denen der Bevölkerung hier".

Die als Unterrichtung vorliegende Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung wurde im Anschluss an die Debatte in die Ausschüsse überwiesen. Keine Mehrheit fand einen Antrag der Unionsfraktion, die unter anderem die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates beim Bundeskanzleramt und eine jährliche parlamentarische Grundsatzdebatte zur Außen- und Sicherheitspolitik im Bundestag gefordert hatte. Für die Vorlage votierte neben den Antragsstellern nur die AfD-Fraktion, die übrigen Fraktionen stimmten dagegen.

Eine erste Nagelprobe für ihre nun ausformulierte sicherheitspolitische Verortung steht der Bundesregierung übrigens in dieser Woche beim EU-Gipfel ins Haus. Dort wollen die Staats- und Regierungschefs unter anderem über das künftige Auftreten gegenüber China sprechen. Die China-Strategie, an der die Bundesregierung neben der Nationalen Sicherheitsstrategie gearbeitet hat, dürfte dann aber noch nicht vorliegen.