Piwik Webtracking Image

Wie mit dem Iran umgehen? : Ende der Illusionen

Die Union dringt auf eine härtere Gangart gegenüber dem Regime in Teheran. Die Koalition will diese neue Klarheit längst gefunden haben.

26.04.2024
2024-04-26T11:50:20.7200Z
4 Min
Foto: picture-alliance/abaca/SalamPix

Irans oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei (Mitte) und der Befehlshaber der Revolutionsgarden Hossein Salami (vorne rechts) bei der Präsentation der iranischen "Fattah-2"-Hyperschall-Rakete, deren Reichweite eine Bedrohung für Israel darstellt.

Terror nach innen, Terror nach außen - und nun erstmals Raketenangriffe aus dem Iran auf Israel: Die Unionsfraktion setzt sich für eine härtere Gangart gegenüber dem Regime in Teheran ein, ist aber am Donnerstag im Bundestag mit zwei Vorlagen zur Iranpolitik gescheitert. Ihre Anträge, die unter anderem auf ein noch umfassenderes EU-Sanktionspaket und die Listung der iranischen Revolutionsgarden zielten, fanden bei den übrigen Fraktionen keine Mehrheit.

Deutschland ist der größte Handelspartner Irans in der EU

Johann David Wadephul (CDU) verwies auf die Angriffe von Hisbollah und der Hamas auf Israel mit Raketen und Terroranschlägen, "finanziell, materiell, geistig gefüttert und ausgerüstet" vom Iran. Es gebe kein anderes Land, das sich so schädigend gegen die freiheitliche und regelbasierte Werteordnung stelle. "Wann ist diese Bundesregierung endlich bereit, den wahren Charakter dieses Regimes im Iran zu erkennen und die notwendigen Schlüsse daraus zu ziehen?", fragte Wadephul. Deutschland sei immer noch der größte Handelspartner der EU mit dem Iran, die Revolutionsgarden seien noch immer nicht als Terrororganisation gelistet, das "Islamische Zentrum" in Hamburg als Einfallstor des Regimes immer noch nicht verboten. Die Bundesregierung stecke mit ihrer Iranpolitik in einer "Sackgasse".

Die Islamische Republik Iran auf einen Blick

✊ Seit 1979 ist Iran "Islamische Republik". Staatsoberhaupt ist nicht der gewählte Präsident, sondern faktisch der "Oberste Führer", seit 1989 Ali Chamenei als höchste geistliche Instanz und Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte.

👮 Die  Revolutionswächter, die "Pasdaran" stehen neben der Armee und verfügen über etwa 190.000 Soldaten. Sie gelten als "Staat im Staate" mit engsten Verflechtungen in Wirtschaft und Politik.

❗️ Über islamistisch-schiitische Kräfte wie die Huthis (Jemen) beziehungsweise Terrororganisationen wie Hamas (Gaza) und Hisbollah (Libanon) nimmt Iran Einfluss auf die arabischen Nachbarn und unterstützt Angriffe auf Israel.



Nils Schmid (SPD) konterte diese Generalkritik: Weder wäre die Listung der Revolutionsgarden der "Sargnagel" für das Regime in Teheran, noch hänge dessen Überleben am Handel mit Deutschland. Um ein iranisches Atomprogramm zu verhindern, bleibe Diplomatie das Mittel der Wahl. "Was wäre denn die Alternative, um die Bombe in den Händen dieses Terrorregimes tatsächlich zu verhindern?" Ein Schlüssel für die Stabilität der Region sei die Stärkung der Staatlichkeit der arabischen Nachbarn. Der Iran sei "nicht aus sich selbst heraus so attraktiv und so mächtig", dass er Einfluss gewonnen habe über Proxies wie Hisbollah, Hamas oder Huthis, sagte Schmid. Klar sei, dass das Regime reformunfähig sei und auch keine Zukunft habe, "weil es die Unterstützung der Bevölkerung endgültig verloren hat".

Grüne: Die Iran-Politik der Regierung ist nicht zahnlos

Auch Lamya Kaddor (Grüne) argumentierte, "dieses Regime schlägt nach innen wie nach außen, weil es jegliche Legitimation und Stärke" verloren habe. Es brauche die proklamierte Feindschaft gegen Israel ebenso wie die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung. Erstmals habe das Regime Mitte April Israel direkt mit Raketen angegriffen und damit offenbart, wie ernst Teheran es mit der Zerstörung des Staates Israel meint. "Das iranische Regime ist zusammen mit seinen Milizen der zentrale Destabilisierungsfaktor im Nahen Osten." Den Vorwurf, die Iran-Politik der Bundesregierung sei zahnlos, wies Kaddor zurück: Es habe seit 2022 zehn Sanktionspakete gegen den Iran, Einbestellungen des iranischen Botschafters und die Befassung im UN-Menschenrechtsrat gegeben. Diese Bundesregierung habe den "Kuschelkurs" und die "Gutgläubigkeit beim 'Wandel durch Handel'" beendet.

Beatrix von Storch (AfD) warf der Union "Schaufensterforderungen" vor. Sie habe viele Jahre lang nicht nichts gegen die Hisbollah unternommen, sich erst 2020 zur Forderung eines "Betätigungsverbots" der Organisation aufraffen können. Union und Koalition wollten nach eigenem Bekunden die iranische Revolutionsbewegung intensiv unterstützen, während es ihnen nicht mal gelinge, iranische Oppositionelle in Deutschland vor den Einschüchterungen des iranischen Geheimdienstes zu schützen. All das offenbare ein Grundproblem: "Sie fordern die Weltenrettung, die Demokratisierung" in Weltgegenden, in denen Deutschland "nicht den leisesten Einfluss" habe. "Sie spielen die große Weltpolitik."

Sanktionen werden umgangen

Für Renata Alt (FDP) markieren die Raketenangriffe auf Israel ebenso eine Zeitenwende wie der Angriff Russlands auf die Ukraine. Auch der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023, der größte Massenmord an Juden seit der Shoa, sei ohne Unterstützung des Irans nicht möglich gewesen. Es habe bereits seit 2011 immer wieder Sanktionen der EU gegen den Iran gegeben. "Das Problem ist, das Iran diese umgeht und dabei Unterstützung aus anderen Ländern erhält." Mehr als die Hälfte der iranischen Exporte gingen nach China und in die Türkei, wichtigste Importeure seien China, die Vereinigten Arabischen Emirate und Brasilien. Es brauche dringend eine neue Iran-Strategie in der gesamten EU: "Gegen die aggressive Rolle Irans in der Region und gegen sein Raketenprogramm müssen wir gemeinsam stärker vorgehen", sagte Alt.

Mehr zum Iran lesen

Jina Mahsa Amini
1. Todestag von Jina Mahsa Amini im Iran: Eine Frage des Willens
Am ersten Todestag von Jina Mahsa Amini spart die Opposition nicht mit Kritik an der Iranpolitik der Bundesregierung. Lässt sie die Protestbewegung im Stich?
Sanktionen gegen den Iran: Härte gegen die Revolutionswächter
Die CDU/CSU-Fraktion kritisiert "sanktionspolitisches Minimum" der Bundesregierung.