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EU-Lieferkettengesetz : Kein zweites Rana Plaza

Die EU will europaweit einheitliche Standards bei der Kontrolle von Lieferketten schaffen. Die Regelung soll weit über das deutsche Gesetz hinausgehen.

28.08.2023
2024-02-26T15:36:24.3600Z
3 Min
Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Wong Maye-E

Symbol der Ausbeutung: 2013 stürzte das mehrstöckige Fabrikgebäude Rana Plaza in Bangladesh ein.

Es sind Katastrophen wie im April 2013 in Bangladesch, die die Schattenseiten von globalen Lieferketten zeigen: Unweit der Hauptstadt Dhaka stürzte das mehrstöckige Fabrikgebäude Rana Plaza ein. Über 1.100 Menschen starben in den Trümmern. Unter anderem Marken wie Primark, Mango oder Kik produzierten dort.

Rana Plaza steht symbolisch für die Ausbeutung, die viele Arbeiterinnen und Arbeiter am Anfang der Lieferketten ausgeliefert sind; nicht nur im Textilsektor. Laut Schätzung der internationalen Arbeitsorganisation ILO aus dem Jahr 2022 müssen weltweit 28 Millionen Menschen Zwangsarbeit leisten. Unicef geht von etwa 160 Millionen Kindern aus, die arbeiten statt eine Schule zu besuchen (Stand 2023).

Niederlande haben 2019 ein Gesetz gegen Kinderarbeit verabschiedet

Die Frage, welche Verantwortung internationale Konzerne für die Arbeitsstandards in ihren Lieferketten haben, wird seit Jahren diskutiert. Immer mehr europäische Länder haben mittlerweile Gesetze erlassen, um gegen Menschenrechtsverletzungen in internationalen Lieferketten vorzugehen: So haben beispielsweise die Niederlande 2019 ein Gesetz gegen Kinderarbeit verabschiedet.

In Deutschland ist seit Beginn des Jahres das Lieferkettengesetz in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden (ab 2024: 1.000 Beschäftigte) dazu, gewisse Standards in ihren Lieferketten einzuhalten. Gehen Firmen nicht gegen Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten vor, drohen Bußgelder.

Kritik von NGOs

Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam kritisierten, dass das Gesetz sich vor allem auf die direkten Zulieferer beziehe. An anderer Stelle in der Kette muss eine Firma nur tätig werden, wenn sie von schweren Menschenrechtsverletzungen erfährt.

Um europaweit einheitliche Standards bei den Kontrollen von Lieferketten herzustellen, plant die EU aktuell ebenfalls ein Lieferkettengesetz. Im Juni 2023 nahm das EU-Parlament einen entsprechenden Entwurf an.

In seiner jetzigen Fassung würde die Richtlinie weit über das deutsche Gesetz hinausgehen. Nach EU-Vorstellung sollen beispielsweise bereits Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten ihre Lieferketten kontrollieren müssen, wenn sie in einem Risikosektor wie der Textilindustrie oder dem Bergbau tätig sind und mindestens 40 Millionen Euro Nettojahresumsatz verbuchen.

Unternehmen fürchten enorme Kosten

Dass eine solche Überprüfung mit enormen Kosten verbunden und wenig verhältnismäßig sei, bemängelt der Präsident der Deutschen Industrie und Handelskammer, Peter Adrian. Er befürchtet, dass sich durch die EU-Regelungen Firmen aus bestimmten Regionen zurückziehen könnten anstatt daran zu arbeiten, die Situation vor Ort zu verbessern.

Im Gegensatz zum deutschen Gesetz, umfasst der EU-Vorschlag auch ein ziviles Haftungsrecht. Dadurch könnten Betroffene am Beginn der Lieferkette klagen, wenn es durch eine Verletzung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht zu Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden kommt.

Nicht bekannt, wann der Entwurf final beschlossen wird

Adrian sieht darin "ein neues und unkalkulierbares Haftungsrisiko", da Unternehmen kontrollieren müssten, was außerhalb "ihrer eigenen Einflussmöglichkeiten liegt". Auch die "Initiative Lieferketten", ein Zusammenschluss zahlreicher Organisationen, kritisiert das Haftungsrecht, wenn auch aus anderem Grund: Es sei für Betroffene kaum möglich, zu beweisen, dass ein Unternehmen seine Pflichten verletzt habe.

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Was gehört zur Lieferkette? Eine Lieferkette umfasst den gesamten Prozess vom Abbau des Rohstoffs bis hin zur Lieferung an den Endkunden. Je nach Produkt können zahlreiche Zulieferer an einer Lieferkette beteiligt sein.

Was steht im Gesetz? Durch das Gesetz sind Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden (ab 2024: 1.000 Beschäftigte) verpflichtet, ihre Lieferketten bzw. den ersten Zulieferer auf Menschenrechtsverstöße hin zu überprüfen.



Aktuell befindet sich der Entwurf im europäischen Trilog. Ein Verfahren, bei dem Parlament, Kommission und Rat über die finale Ausgestaltung beraten. Wann dieser Prozess abgeschlossen sein wird, ist nicht bekannt.