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Editorial : Ein bisschen Frieden

Der Bundeskanzler hat ein neues Wort in die politische Diskussion eingeführt und seine Koalition damit vielleicht zu einer Einigung im Haushaltsstreit geführt.

15.12.2023
2024-02-05T11:09:06.3600Z
2 Min

Olaf Scholz (SPD) hat ein neues Wort in die politische Diskussion eingeführt: Den "Überschreitungsbeschluss". Seit Wumms und Doppelwumms ist der Bundeskanzler für Wortschöpfungen bekannt, dieses Mal hat er sich in der juristischen Fachliteratur bedient. Der Überschreitungsbeschluss ist die Erlaubnis, in einer besonderen Notlage die im Grundgesetz bestehende Obergrenze für Schulden zu überschreiten, also die Schuldenbremse auszusetzen. Genau das wurde auf dem SPD-Parteitag vor einer Woche vehement gefordert.

Der Eindruck lässt sich nicht ganz abschütteln, dass der Kanzler die Aussetzung der Schuldenbremse auch für den eigenen Parteifrieden erwähnte. Dabei stand er vor der Herausforderung, den liberalen Koalitionspartner als Verteidiger eben dieser Bremse nicht zu verlieren. Da kommt ein neues, unbelastetes Wort ganz gelegen. Zumal Scholz die Aussetzung der Schuldenbremse ohne Not ins Schaufenster stellte und damit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) Angriffsfläche bot. Für 2024 plant die Ampel ja das Aussetzen erstmal gar nicht ein. Und dass in einer Notlage auch das Grundgesetz eine Überschreitung der Schuldengrenze möglich macht, ist völlig unstreitig und bedurfte keiner Ankündigung.


„Das Credo sollte wohl sein: Fünf Prozent kann man immer sparen, da stört keine Schuldenbremse.“

Egal, was das Motiv war, dem Kanzler gelang es, die Koalition zusammenzuhalten und ihr sogar etwas Ruhe zu geben. Mit seinem Kurs in Sachen Schuldenbremse konnte er allerdings nicht auf Milde in der Bewertung durch die Opposition hoffen - Kritik gab es dann auch reichlich. Bemerkenswert war im Plenum aber, was mit Johannes Vogel (FDP), ein Ampel-Koalitionär aussprach: Wer mit Unternehmen spreche und erläutere, dass es im Haushaltsstreit um Einsparungen von weniger als fünf Prozent des Bundeshaushaltes gehe, höre als Reaktion darauf nur Verwunderung. Vor einer solchen Herausforderung stehe die Wirtschaft häufig. Das Credo sollte wohl sein: Fünf Prozent kann man immer sparen, da stört keine Schuldenbremse.

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Mit den jetzigen Beschlüssen ist es ohnehin nicht einfacher geworden, eine Notlage zu erklären. So begründete der Kanzler die nun stärkere Erhöhung beim CO2-Preis damit, dass man auf den Pfad zurückkehre, den es vor der Energiepreiskrise durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits gab - man kehre zurück in eine normale Situation. Das klingt nicht nach Notlage.