Nach Übergriffen auf CSD-Demonstrationen : Grüne fordern klares Ja zu Vielfalt
Die Abgeordneten debattierten über einen Antrag der Fraktion gegen queerfeindliche Hetze und Gewalt. Auch die Flaggen-Entscheidung des Bundestages kam zur Sprache.

Abgeordnete der Grünen-Fraktion (hier im Bild) und der Fraktion Die Linke haben sich anlässlich der Debatte zu queerfeindlicher Hasskriminalität in den Farben des Regenbogens gekleidet.
Mit der zunehmenden Hetze gegen queere Menschen hat sich der Bundestag am Donnerstag in einer einstündigen Debatte befasst. Fast alle Fraktionen verurteilten darin die Übergriffe von Rechtsextremisten auf Veranstaltungen der queeren Community in den vergangenen Wochen, wie verschiedenen CSDs (Christopher Street Day) in mehreren deutschen Städten.
Grüne fordern, "queerfeindliche Hasskriminalität" wirksam zu bekämpfen
Auch die Positionierung der Bundestagsverwaltung anlässlich des Berliner CSDs Ende Juli war ein Thema. Dem Regenbogennetzwerk des Bundestages war von der Verwaltungsspitze untersagt worden, anders als in den beiden Vorjahren organisiert bei der Demonstration mitzulaufen - mit Verweis auf die Neutralitätspflicht des Hauses. Bereits Mitte Mai hatte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) angekündigt, am Tag des Berliner CSD darauf zu verzichten, am Reichstagsgebäude erneut die Regenbogenflagge zu zeigen - ihre Vorgängerin Bärbel Bas hatte dies seit 2022 getan. Stattdessen wurde die Flagge am 17. Mai, dem internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, gehisst. Die Vorgänge sorgten bei Grünen, Linken und SPD für Irritationen.

„Ein Angriff auf einen CSD ist immer auch ein Angriff auf unsere Demokratie und unsere Freiheit.“
Grundlage der Debatte am Donnerstag war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. In diesem fordert sie, "queerfeindliche Hasskriminalität" wirksam zu bekämpfen und die rechtliche Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie anderen queeren Personen zu beenden. Sie verlangt von der Bundesregierung unter anderem, CSD-Demonstrationen vor Gewalt zu schützen. Die Empfehlungen des Arbeitskreises zur "Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt" müssten umgesetzt und eine bundesweite Meldestelle für queerfeindliche Straftaten eingeführt werden. Der Antrag fordert außerdem eine Ergänzung des Grundgesetzes um ein explizites Verbot der Diskriminierung aufgrund der "sexuellen Identität".
Straftaten gegen queere Menschen haben sich seit 2010 verzehnfacht
Nyke Slawik (Grüne) appellierte an die Abgeordneten: "Schauen Sie nicht weg! Ein Angriff auf einen CSD ist immer ein Angriff auf unsere Demokratie und Freiheit." Sie kritisierte außerdem Klöckner für die Fahnen-Entscheidung. In einer Zeit, in der queere Menschen weltweit massiven Angriffen ausgesetzt seien, sei es ein "fatales Signal" die Fahne, anders als in den vergangenen Jahren, nicht zum Berliner CSD zu hissen, sagte sie.
Jan-Marco Luczak (CDU) verwies darauf, dass sich die Straftaten gegen queere Menschen seit 2010 verzehnfacht hätten und 40 Prozent der Community ihre sexuelle Identität aus Angst vor Gewalt nicht offen ausleben würden. "Wir leben in einem freien Land, aber diese Menschen sind nicht frei", sagte er und forderte: "Wir brauchen Gesetze!" Er warf den Grünen Scheinheiligkeit vor. Denn diese würden seit Jahren die Speicherung von IP-Adressen blockieren, dabei könne man genau damit wirksamer gegen Hass und Kriminalität im Netz vorgehen, so der Abgeordnete.
Linke: Wenn sich queere Menschen verstecken müssen, versagt die Demokratie
Carmen Wegge (SPD) forderte: "Wir als Politik müssen Haltung zeigen!" Die Positionierung in Bezug auf den Berliner CSD nannte sie falsch. "Wer sich für verfassungsgemäße Rechte einsetzt, handelt nicht parteipolitisch. Der Staat darf bei Menschenfeindlichkeit nicht neutral sein", so Wegge. Ihre Fraktion werde sich für eine Reform des Abstammungsgesetzes und des Grundgesetzes stark machen.
Fabian Jacobi (AfD) warf den Grünen vor, "Sehnsucht" nach dem Repressionssystem der DDR zu haben. Eine Grundgesetzänderung lehnte er klar ab, denn dann würde eventuell auch das sexuelle Interesse an Kindern geschützt, mutmaßte Jacobi. Für diese Bemerkung erntete er lautstarken Protest von der Grünen-Fraktion.
Maik Brückner (Die Linke) betonte, die Gewalt beginne mit Worten. "Wenn Parteien wie die AfD queerfeindliche Sprache normalisieren, dann braucht es niemanden mehr, der zur Gewalt aufruft." Wenn sich queere Menschen verstecken müssten, dann versage die Demokratie an einer ihrer empfindlichsten Stellen, "beim Schutz der Würde jedes Einzelnen", sagte er.
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