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Leistungen für Asylbewerber : Streitfall Bezahlkarte

Die Abgeordneten streiten in einer Aktuellen Stunde darüber, ob es eine bundesgesetzliche Regelung braucht, um die Bezahlkarte für Asylbewerber überall einzuführen.

23.02.2024
2024-03-14T15:14:21.3600Z
4 Min

Nun ist es ja nicht so, dass politisch interessierte Menschen noch eine Aktuelle Stunde des Bundestages bräuchten, um zu bemerken, dass der Streit in der Ampel-Regierung wohl nicht so schnell aufhören wird. Aber die Opposition nutzt eine solche Möglichkeit erfahrungsgemäß, um den Finger in die Wunde(n) der Regierungsarbeit zu legen. Am Donnerstag dieser Woche nahm die CDU/CSU-Fraktion die aktuelle Steilvorlage der Regierungsfraktionen also wahrscheinlich mit Vergnügen an und beantragte eine solche Aktuelle Stunde, einen politischen Schlagabtausch ohne konkrete Drucksache, mit dem Titel "Bezahlkarte jetzt rechtssicher einführen - Blockade innerhalb der Bundesregierung beenden."

Foto: picture-alliance/dpa/Philipp von Ditfurth

Bezahlkarte statt Bargeld? In Hamburg gibt es sie schon, Bayern folgt in Kürze. Auch andere Bundesländer haben Modellprojekte gestartet.

Auf die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber hatten sich die Bundesländer und die Bundesregierung eigentlich ganz klar am 6. November 2023 geeinigt. Hintergrund war die zunehmend angespannte Lage vieler Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und enttäuschende Wahlergebnisse für die Ampel-Parteien bei den Landtagswahlen im Oktober in Hessen und Bayern, die auch mit diesen Problemen vor Ort zu tun hatten. Reaktion war also gefragt und heraus kam eine Flüchtlings-Strategie, die noch weit mehr umfasst als eine Bezahlkarte. Erste Landkreise und Kommunen erproben mittlerweile in Pilotprojekten solche, auch "SocialCards" genannten Bezahlsysteme. Mit Hamburg ist das erste Bundesland vorgeprescht, in Kürze wird Bayern die Bezahlkarte einführen. Wieso also ploppte am vergangenen Wochenende der Streit darüber zwischen den Koalitionsfraktionen wieder auf?

Die Grünen pochen auf eine gründliche Prüfung, bevor ein Bundesgesetz geändert wird

Aus Sicht der Grünen, das wurde in der Aktuellen Stunde deutlich, ist das völlig unverständlich. Sie kritisierten eine überflüssige Debatte. Für die Grünen-Fraktion betonte Andreas Audretsch: "Die Frage, ob die Bezahlkarte eingeführt wird, steht doch gar nicht zur Debatte." Er verwies auf Hamburg und Bayern und auf Projekte in anderen Bundesländern und zitierte den Chef der bayerischen Staatskanzlei mit der Aussage, dass es Bayern auch ohne ein Bundesgesetz schaffe, rechtssicher eine Bezahlkarte einzuführen. Für eine bundesgesetzliche Regelung seien aber noch zu viele Fragen zu klären, betonte Audretsch und stellte damit klar, dass es so schnell nichts wird damit.

Bezahlkarte für Asylsuchende

⛰️💳Flüchtlingsgipfel: Im Herbst 2023 hatten sich Bund und Länder auf die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber geeinigt.

📥📜Praxis: Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen hauptsächlich auf diese Karte gebucht werden und nur ein kleiner Betrag noch bar zu Verfügung stehen.

💪✔️Motivation: Zahlungen in Herkunftsländer der Flüchtlinge sollen damit unterbunden und Kommunen von Bürokratie entlastet werden.



Genau an dieser Frage war aber vor einer Woche der neuerliche Koalitionsstreit entbrannt, denn Politiker von SPD und FDP, auf Bundes- wie auf Landesebene, mahnten eine solche Regelung an und stellten gar den Fortbestand der Koalition in Frage. Bevor die Karte 2025 bundesweit eingeführt werde, müsse das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) so geändert werden, dass Rechtssicherheit und einheitliche Standards garantiert würden, hieß es. Sie verwiesen darauf, dass der Bund den Ländern eine solche Regelung zugesagt hätte. Eine beschlussfertige Neuformulierung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auch erarbeitet, allein die Abstimmung darüber verzögert sich.

Bisher regelt das AsylbLG, dass Leistungen außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften vorrangig als Geldleistungen zu gewähren sind. Soweit es "erforderlich" sei, könnten diese Leistungen aber auch als Sachleistungen oder Gutscheine gewährt werden. Beides ist also derzeit möglich.

Für die Union und Teile von SPD und FDP sind diese Formulierungen nicht rechtssicher genug, um Klagen gegen eine Bezahlkarte abzuwenden. In der Aktuellen Stunde blieb koalitionsinterner Streit aufgrund offener Formulierungen hinsichtlich einer Gesetzesänderung jedoch aus. Dafür wurde die Unionsfraktion umso deutlicher.


„Die Grünen torpedieren jede Maßnahme, die einen Beitrag gegen illegale Migration leistet.“
Stephan Stracke (CSU)

"Die Grünen torpedieren jede Maßnahme, die einen Beitrag gegen illegale Migration leistet. Und das, obwohl sogar der Bundeskanzler zugesagt hat, nötige rechtliche Änderungen auf den Weg zu bringen", ärgerte sich Stephan Stracke (CSU). Die Koalition sei im Bereich Migration handlungsunfähig. Die Dummen seien die Kommunen und auch die Bürger, die mit ihren Steuern die Asylleistungen bezahlten. Für die Bezahlkarte brauche es endlich eine Bundesgesetzgebung, um das Sachleistungsprinzip zu stärken und den Sozialstaat zu schützen, forderte er.

Rasha Nasr (SPD) sagte daraufhin, sie fühle sich wie in einer Endlosschleife: "Immer und immer wieder wachen wir morgens auf und müssen dabei zuhören, wie die Union eine eisige Debatte über Menschen führt, die vor Krieg und Zerstörung fliehen." Die Antwort der Union auf steigende Flüchtlingszahlen sei nicht etwa die Beschäftigung mit Fluchtursachen oder einem gerechten Verteilungsschlüssel in Europa. Nein, sie verkaufe die Einführung der Bezahlkarte als die Lösung schlechthin. "Dass Sie sich mit dem ewigen Märchen der sogenannten Pull-Faktoren nicht langsam selbst langweilen, wundert mich wirklich." Die SPD arbeite an einer Änderung des AsylbLG und "steht zu ihrem Wort", sagte sie in Bezug auf die Notwendigkeit einer Bundesregelung.

Die AfD fordert ein striktes Sachleistungsprinzip

Das sah, wenig überraschend, ihr Nachfolger am Rednerpult ganz anders: René Springer (AfD)bezeichnete den "ungeschützten Sozialstaat" als Hauptgrund für die hohe Zahl Asylsuchender. "Wovor flieht denn jemand, der schon in Italien oder Griechenland Schutz gefunden hat?", fragte er. Die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen nannte er "längst überfällig" und kritisierte, dass die Bezahlkarte nur ein kleiner Schritt sei. "Wir brauchen ein striktes Sachleistungsprinzip: "Brot, Bett und Seife für Asylbewerber", fasste Springer seine Haltung zusammen.

Jens Teutrine (FDP) warf der Union Chaos vor, weil oft nicht zusammenpasse, was sie bundespolitisch fordere und was deren Verantwortliche in den Ländern umsetzten. Er stellte klar, dass seine Fraktion ein Bundesgesetz unterstütze, wenn dies nötig sei und forderte eine Neuordnung der Migrationspolitik. "Wir brauchen eine Kultur für die Fleißigen", sagte er.