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Glosse : Abschied ist ein scharfes Schwert

Die Koalition sieht zurzweit manchmal aus wie ihr lädierter Kanzler? Ach was!

23.09.2023
2024-01-30T10:32:02.3600Z
2 Min

Brandt war traurig, Schmidt fiel unter Mentholschwaden in Ohnmacht, Kohl wurde immer korpulenter, Merkel bekam das Zittern beim Staatsempfang und Schröder findet zum Abendbrot heute nur noch Artischocken auf seinem Teller. Dass Kanzlerschaften körperlich mächtig herausfordern, ist bekannt. Auch Olaf Scholz hat mit einem Kanzlersturz (beim Joggen) jüngst Blessuren davongetragen und in der vergangenen Woche nun nachgelegt mit einem kleineren Schmiss, den er sich zugezogen haben soll, und zwar beim Rasieren in New York. Weil er gern das eigene Spiegelbild angrinst, wie Lästerzungen behaupten. Für die Kritiker war die Sache schnell klar: Da hat er sich geschnitten, der Kanzler. Augenklappen und Pflaster auf der Wange können nur notdürftig kaschieren, welches Bild seine Koalition derzeit abgibt: Irgendwie geknufft, zerzaust, gebeutelt, als käme sie vom Raufen. Aber es ist natürlich ein großer Quatsch, hier einen Zusammenhang herbeizureden. Da könnte man ja am Ende noch den Auftritt der DFB-Elf als Ausdruck der Verfasstheit des Landes werten. Das alles ist keine Debatte mit Florett mit feiner Klinge, sondern ein ziemlich stumpfes Schwert.

Womit wir nach Politik und Sport bei der Kultur wären: Wer den jüngst verstorbenen Musiker Roger Whittaker stets für einen Schlagerbariton hielt, der die heile Welt besang, kann in Nachrufen auf Überraschendes stoßen: Im Rahmen des Wehrdienstes im "Kenia Regiment" kämpfte der junge Whittaker nämlich im Mau-Mau-Krieg im Aberdare Forest gegen Aufständische, was freilich weder die Unabhängigkeit Kenias und noch den Abstieg des britischen Empires aufhalten konnte. Diese Erfahrung hat Whittaker dann wieder und wieder in der ZDF-Hitparade herauf- und heruntergebetet, wir wollten es nur nicht hören: "Abschied ist ein scharfes Schwert."