Glosse : Wir sind Feiertag!
Ob der neue Papst die Welt retten kann, ist fraglich. Prost Vatertag, rufen da die verheidneten Deutschen.
Am Ende sollen es also die Katholiken richten. Papst Leo XIV. soll Donald Trump und Wladimir Putin bändigen und zur Vernunft und am besten auch gleich Frieden nach Gaza bringen. Gelänge dem neuen Bischof von Rom all das, wäre ihm wohl nicht nur der Friedensnobelpreis sicher, sondern, da diese Erfolge zweifelsohne ein Wunder wären, ein "Santo Subito", eine sofortige Heiligsprechung. Zwar glauben die meisten verheidneten Deutschen wohl eher nicht an Wunder, und mit dem Heiligen haben sie es auch nicht mehr so, aber dass in den alt-ehrwürdigen Gemäuern des Vatikans vielleicht sogar kriegslüsterne Russen zur Besinnung kommen könnten, diese leise Hoffnung stirbt zuletzt.
Hoffen auf die Kirche, das ist freilich außer Mode. Zwar wird das christliche Erbe weiter zelebriert, aber es herrschen mitunter doch groteske Wissenslücken. Der Glaube, am "Vater-" oder "Herrentag" sei der auferstandene Christus mit einem Bierbollerwagen in den Himmel aufgefahren, entspricht jedenfalls nicht der biblischen Überlieferung. Freilich weiß der Volksglaube mit "Christi Himmelfahrt" kaum noch etwas anzufangen.
Für mehr Wettbewerbsfähigkeit sollen Feiertage gestrichen werden
Egal, alles nur Semantik: Wenn es um ihre Feiertage geht, dann pochen die treuen deutschen Katholen (und, das sei zugestanden, auch Evangelen) auf ihr christliches Erbe. Sicher, das gilt nicht für die Wirtschaft. Für mehr Wettbewerbsfähigkeit sollen die Deutschen mehr arbeiten, auch durch weniger Feiertage. Zweiter Weihnachtsfeiertag? Oster- und Pfingstmontag? Christi Himmelfahrt? Alle streichen? Nein! Die Deutschen wollen an diesen Hochfesten Raum für spirituelle Einkehr, was den Gang zur Arbeitsstelle unmöglich macht. Dabei ist das neue Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gar kein Deutscher. "Wir sind Papst", wie 2005 bei Joseph Ratzingers Wahl, ist also nicht angebracht. Macht nichts, der deutschen Seelenlage entspricht ohnehin eher: “Wir sind Feiertag!”