Vor 25 Jahren... : Bundestag bekommt ersten ostdeutschen Präsidenten

Wir freuen uns ganz besonders, dass ein Eisfelder dieses Amt bekommen hat." Gerd Braun, Bürgermeister der damals 4.000 Einwohner zählenden Gemeinde, hatte im Herbst 1998 Grund stolz zu sein: Am 26. Oktober wurde Wolfgang Thierse (SPD), Sohn der südthüringischen Kleinstadt, zum Bundestagspräsidenten gewählt. Er folgte auf Rita Süssmuth (CDU). Thierse selbst sprach in seiner ersten Rede in neuer Funktion von einer "großen Bewegung", die ihn erfülle: "Zum ersten Mal wurde ein Ostdeutscher in eines der hohen Ämter der gemeinsamen Republik gewählt."

Zuvor hatten 512 der 666 Abgeordneten für Thierse gestimmt, gegen ihn votierten 109, 45 enthielten sich. Damit gab auch ein großer Teil der Opposition dem damals 55-Jährigen ihre Stimme. Für Thierse war seine Wahl acht Jahre nach der Wiedervereinigung "ein Akt demokratischer Normalisierung in den immer noch nicht ganz konflikt- und vorurteilsfreien ost-west-deutschen Verhältnissen".

Thierse: "Unterschiede verstehen und respektieren"

In seiner Rede rief er dazu auf, die Unterschiede im Leben in den alten und neuen Ländern zu verstehen und zu respektieren. "Dieser deutsch-deutsche Diskurs, der Vergangenheit und Gegenwart einschließt, ist noch lange nicht an sein Ende gekommen", so Thierse. Den für 1999 geplanten Umzug des Bundestags von Bonn nach Berlin würdigte er als Konsequenz aus der Einheit. Thierse blieb bis 2005 Bundestagspräsident, bis 2013 war er Vizepräsident.

Am 22. Oktober dieses Jahres feierte der Mann mit dem markanten Bart seinen 80. Geburtstag. Seiner Heimat Eisfeld blieb er auch als Spitzenpolitiker verbunden: Immer wieder kam er auf dem Weg von Berlin in den Urlaub nach Osttirol dort vorbei.