Aktien haben einen schweren Stand : Sicherheit statt Rendite
Trauma T-Aktie: Warum Deutsche so zurückhaltend bei der Geldanlage in Aktien sind.
Die Anzeigetafel des Aktienindex Dax zeigt sinkende Kurse. Viele Anleger in Deutschland scheuen das Verlustrisiko.
Die Deutschen und Aktien - das ist eine schwierige, von falschen Erwartungen, enttäuschter Liebe, Misstrauen und Sorge geprägte Beziehungskiste. Wenn also, wie zu Beginn des Jahres 2023, der Bundeswirtschaftsminister als Lösung für das Finanzierungsproblem des deutschen Rentensystems ankündigt, auf den Kapitalmarkt zu setzen und mit Aktien dafür sorgen zu wollen, dass die Beiträge nicht steigen oder Renten gekürzt werden müssen, dann löst das bei vielen Bürgern in Deutschland eher Besorgnis aus. Sie sehen darin nicht die Chance, etwas besser zu machen, sondern vor allem das Risiko, das mit Aktien und Renditeerwartungen verbunden ist: nämlich ein im schlimmsten Fall totaler Wertverlust.
Woher aber rührt diese im internationalen Vergleich auffällig hohe Aversion der Aktie gegenüber? Mancher erinnert in diesem Zusammenhang an die 1920er Jahre, an die Hyperinflation, als viele ihr Vermögen verloren. Das mag 100 Jahre später weit hergeholt sein. Richtig ist aber, das bestätigt sich zuverlässig in Umfragen, dass vielen die Anlage in Aktien zu riskant oder auch zu kompliziert ist.
Jeder zweite Deutsche setzt auf das Sparbuch
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt - so lautet die bekannte Redensart. Der durchschnittliche Deutsche wagt aber nicht so gerne, zumal in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Bei rund der Hälfte der Anlegerinnen und Anleger steht vielmehr das Thema Sicherheit bei der Geldanlage an erster Stelle. So setzt knapp jeder Zweite mit dem Sparbuch oder Sparkonto auf den vermeintlich sicheren Weg, wie eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Gothaer Versicherung Anfang des Jahres 2023 zeigte.
Während in Amerika die Menschen über Aktien und Altersvorsorge auch in den Familien reden, schalten hierzulande viele ab, wenn es um Kurs-Gewinn-Verhältnis, Dividendenrendite und Thesaurierung geht. Das Platzen der New-Economy-Blase am Neuen Markt um die Jahrtausendwende, und mehr noch der Absturz der "Volksaktie" Telekom, haben viele Kleinanleger in Deutschland verschreckt.
Die Werbung des beliebten Schauspielers Manfred Krug für die T-Aktie lockte viele Deutsche an die Börse, ließ sie einmal ihre Skepsis vergessen - mit dem Ergebnis, dass sie Geld verloren. Krug hat sich später "aus tiefstem Herzen" dafür entschuldigt. Damit war der Flirt der Deutschen mit dem Börsengeschehen beendet.
Experten sagen: Über einen langen Zeitraum bergen Aktien kaum Verlustrisiken
Die Experten werden dennoch nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Aktien zur Vermögensbildung beitragen und über einen langen Zeitraum kaum Verlustrisiken bergen. Das setzt aber voraus, dass man Geduld hat - und vor allem, dass man angelegtes Geld mindestens über Jahre hinweg nicht für andere Zwecke benötigt. In Zeiten der Energiekrise für Strom und Gas oder in Zeiten der Inflation und teurer werdender Lebensmittel fehlt esbei vielen an Beidem: an Geduld und an Geld, das man übrig hat.
Börse
Der meist gesagte Satz an der Börse soll ja lauten: "Ach, hätt' ich doch". Denn im Nachhinein weiß man stets besser, ob man eine Aktie oder ein anderes Wertpapier hätte verkaufen oder kaufen sollen
Das Scheitern liegt in falschen Erwartungen, der Erfolg in zutreffenden. Letztlich werden sie an der Börse gehandelt, die Erwartungen.
Für die Volkswirtschaft sind Börsen so wichtig, weil sich Unternehmen hier mit Kapital versorgen können. Dort können sie Investoren finden und über Aktien oder Schuldverschreibungen (Anleihen) an Kapital kommen. Hier können beispielsweise Landwirte die Preise für Agrarprodukte absichern. Spekulanten sorgen für die nötige Liquidität. Die Börse als Ort des Risikos, für manchen schafft sie Sicherheit.