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Handel mit dem nördlichen Nachbar der USA : „Mit wem, wenn nicht mit Kanada?“

Freihandelsabkommen sollen Zölle reduzieren und neue Allianzen schmieden. Lange hielt die EU sich dabei zurück, doch nun wirbt sie aktiv um neue Handelspartner.

28.08.2023
2024-03-04T12:25:18.3600Z
3 Min
Foto: picture alliance / Fotostand / Benatzky

Freihandelsabkommen bedeuten für deutsche Unternehmen meist bessere Chancen für ihr Exportgeschäft.

"Mit wem, wenn nicht mit Kanada?" Diese Frage hat man in den Wochen vor der Abstimmung zur Ratifizierung des Freihandelsabkommens Ceta zwischen der Europäischen Union und Kanada in fast jeder Bundestagsdebatte gehört.

Der nördliche Nachbar der USA sei unter den Staaten, mit denen man Abkommen anstrebe noch der, der Deutschland in Sachen Politik, Gesellschaft und Kultur am ähnlichsten sei, hieß es von den Befürwortern. Kanada sei also der perfekte Partner für engere Handelsbeziehungen. Freihandelsabkommen haben seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wieder mehr an Bedeutung gewonnen, einseitige Abhängigkeiten sollen künftig stärker vermieden werden - nicht nur im Bezug auf Rohstoffe.

Multilaterale Abkommen haben Priorität

Bei den meisten Freihandelsabkommen handelt es sich um multilaterale Abkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und anderen Staaten oder Staatengemeinschaften. Es gibt jedoch auch bilaterale Abkommen zwischen Deutschland und einzelnen Staaten, wie zum Beispiel das avisierte Wasserstoffabkommen mit Namibia. Wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einem Dossier über Handelsabkommen schreibt, haben multilaterale Handelsbeziehungen grundsätzliche Priorität: "Angesichts zu befürchtender Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen auf den Weltmärkten durch bilaterale Abkommensinitiativen wichtiger Handelspartner (unter anderem USA, Japan) hat sich die früher zurückhaltende Position der EU zu bilateralen Freihandelsabkommen seit 2007 jedoch geändert", heißt es weiter.

Der Bundestag hat das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der Europäischen Union und Kanada Ende 2022 ratifiziert. Das Abkommen kann - wie alle Abkommen der EU - jedoch erst in Kraft treten, wenn es alle Mitgliedsstaaten ratifiziert haben; bislang haben 16 Staaten ihre Zustimmung erteilt. Bis zum vollständigen Inkrafttreten gelten nur die Absprachen, die unbestritten im Zuständigkeitsbereich der EU liegen und nicht in dem der einzelnen Mitgliedsstaaten. Das Abkommen soll den Marktzugang für Industriegüter, Agrarprodukte und Dienstleistungen erleichtern.

Große Chancen für deutsche Unternehmen

 Die Mercosur-Wirtschaftsgemeinschaft im südlichen Lateinamerika wurde 1991 von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründet, mittlerweile sind weitere Staaten der Region assoziiert, wie etwa Chile, Peru und Bolivien, die aber kein Stimmrecht haben. Neben einem verbesserten Zugang zu Rohstoffen sehen Wirtschaftsfachleute die größten Chancen für deutsche Unternehmen beim Export in den Bereichen Maschinenbau, Automobilbau und Ernährungsindustrie. Dort erhebt der Mercosur-Raum bisher weltweit mitunter die höchsten Zölle.

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Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), ruhen seit Anfang 2017 und werden nicht fortgeführt. Die USA sind für Deutschland der wichtigste Absatzmarkt der bedeutendste Handelspartner. Nach Inkrafttreten des US-Inflation Reduction Act (IRA) werden in der EU wieder Stimmen laut, die ein Scheitern der Verhandlungen bedauern. Denn laut IRA müssen 40 Prozent der kritischen Rohstoffe, die für Batterien von Elektrofahrzeugen benötigt werden, oder 50 Prozent der Batteriekomponenten in den USA hergestellt werden oder in einem Land, mit dem die USA ein Freihandelsabkommen unterzeichnet hat.

Verhandlungen mit Australien und Neuseeland

Derzeit verhandelt die EU auch mit Australien und Neuseeland, die Gespräche mit beiden Staaten laufen seit Juni 2018. Den größten Teil der Exporte Neuseelands in die EU bilden landwirtschaftliche Erzeugnisse; die EU liefert vor allem Fertigungs- und Industriegüter nach Neuseeland. Ähnliches gilt für Australien, von dort kommen zudem mineralische Rohstoffe auf den europäischen Markt.

Deutschland sieht in der Möglichkeit eines EU-Freihandelsabkommens mit dem mittlerweile bevölkerungsreichsten Land der Welt auch Chancen für eine verbesserte bilaterale Kooperation, die insbesondere der exportorientierten deutschen Wirtschaft zu gute kommen würde. De facto liegen die Gespräche jedoch seit 2012 "aufgrund der stark divergierenden Ansichten auf beiden Seiten" auf Eis, formuliert es die Seite von EU und Deutschland.

Wachstumsmarkt Südostasien

 Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist der ASEAN-Raum (Association of Southeast Asian Nations), dort werden unter anderem mit Singapur, Vietnam, Malaysia und Thailand Gespräche geführt. Da ein "regionaler Verhandlungsansatz" in der Vergangenheit nicht zu konkreten Ergebnissen geführt habe, verhandelt die EU zunächst bilateral mit den einzelnen Staaten, wie es aus dem Wirtschaftsministerium heißt.