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Ökologie und Industrie : Ohne Wasser läuft in der Wirtschaft nichts

Egal ob Kühlung, chemische Produktion oder Transport: Die Industrie ist vom Wasser abhängig. Doch der richtige Umgang mit dem wertvollen Gut sorgt für Diskussionen.

07.08.2024
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6 Min

In der Europäischen Union verbraucht die Industrie einen großen Teil des Wassers. In den letzten Jahren gab es immer wieder Phasen mit Rekordtemperaturen und veränderten Niederschlagsmengen. Doch ohne ausreichend Wasser läuft auch in der Industrie nichts. Für die Kühlung von Anlagen, für chemische Produktionsprozesse und für den Transport von Gütern ist Wasser unverzichtbar. Nirgendwo wird das deutlicher als am Rhein, der Lebensader und Wasserstraße Europas.

Foto: picture alliance / Jochen Tack

Der Klimawandel führt zu Niedrigwasserperioden. Das erschwert die Binnenschifffahrt und verursacht Millionenschäden. Innovative Schiffsbauten und staatliche Förderungen sollen Abhilfe schaffen.

Abhängigkeit vom Rhein ist historisch gewachsenen

Bayer, BASF, Henkel, Boehringer: Ein großer Teil der chemischen Industrie hat sich am Rhein angesiedelt. Thomas Kullick, Referent beim Verband der chemischen Industrie (VCI), spricht von der historisch gewachsenen Abhängigkeit vom Rhein. Einerseits weil die Werke für ihre Produktion Wasser aus dem Fluss entnehmen und wieder einleiten, andererseits, weil über ihn wichtige Rohstoffe auf Binnenschiffen angeliefert werden. Zwar fahren Binnenschiffe zum Beispiel auch auf der Donau, der Elbe und der Weser, aber der Rhein spielt eine überragende Rolle. 80 Prozent der deutschen Binnenschifffahrt findet dort statt.

Von Rotterdam und Amsterdam aus können die Schiffe über den Rhein und die Donau durch Kontinentaleuropa bis nach Österreich, Ungarn und Rumänien fahren. Die Niedrigwasserperioden von 2018 und 2022 stecken den Binnenschiffern und Verantwortlichen in den Chemiekonzernen noch in den Knochen. Damals konnten die Schiffe auf dem Rhein über viele Monate nur teilbeladen fahren. Die Versorgung der Unternehmen war gestört, die Transportraten signifikant teurer. Ereignisse wie 2018 und 2022 gelten als Auswirkungen des Klimawandels, der sich laut Kullick seit etwa zehn, 15 Jahren im Betriebsalltag bemerkbar mache.

Millionenschäden durch lange Niedrigwasserperioden

Jens Schwanen ist Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). Er sagt, die Chemische Industrie am Rhein habe wegen der langen Niedrigwasserperiode im Jahr 2018 einen hohen Millionenschaden erlitten. Dennoch sei die Binnenschifffahrt häufig "alternativlos", der Umstieg auf Schiene oder Straße für die Großindustrie schwierig: Auf ein einziges Binnenschiff passen etwa 3000 Tonnen Ladung, würde man diese Mengen auf der Straße transportieren wollen, müssten dafür 150 Lkw Kolonne fahren.

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Der BDB habe aus den Niedrigwassern gelernt. "Für die Zukunft setzen wir auf innovativen Schiffbau, auf leichtere, für Niedrigwasser optimierte Schiffe mit alternativen Antrieben." Allerdings kosteten diese Schiffe zweistellige Millionenbeträge, bedeuteten Mehrkosten von 50 bis 100 Prozent. Ein Problem, auch weil die meisten Binnenschiffe kleine Familienbetriebe seien. "Hier brauchen wir staatliche Förderung, bei der Forschung und Entwicklung wie bei der Anschaffung." Die Bundesregierung möchte den Anteil der Binnenschifffahrt am Inlandgüterverkehr von bisher sieben auf zwölf Prozent steigern, auch weil beim Transport auf dem Wasser nur etwa ein Drittel so viel CO2 ausgestoßen wird wie auf der Straße. Neben optimierten Schiffen würden aber auch Fahrrinnenvertiefungen wie beim Flussausbau am Mittelrhein weiter benötigt, so Schwanen.

Umweltforscher: Massive bauliche Veränderung der Flüsse verursacht Probleme

Das sieht Karsten Rinke vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung kritisch: "Unsere Flüsse sind bereits massiv baulich verändert", sagt er. Das ziehe Probleme nach sich. Wie an der Elbe: Buhnenfelder, Querbauten in der Mittelelbe, sorgen auch noch bei Niedrigwasser für eine tiefe Rinne, die Schifffahrt ermöglicht. Hier fließt das Wasser mit hoher Geschwindigkeit. An den Ufern aber weichen die Auenwälder, weil der sich immer tiefer eingrabende Fluss kaum noch in Berührung mit der Landschaft kommt - die Mittelelbe hat sich mancherorts bereits um zwei Meter eingetieft. Und: "Das schnell fließende Wasser reißt Insektenlarven, Krebse mit sich fort. Fische, Wasservögel, die ganze Nahrungskette hängt da dran", sagt Rinke.


„Wasser wird in Deutschland traditionell als unbegrenzte Ressource gesehen.“
Birgit Lutzer, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

Das störe wichtige Selbstreinigungskräfte des Flusses, die gerade in Niedrigwasserperioden nötig seien. Dann bestehe der Fluss zu 20 bis 40 Prozent aus Abwässern der Kläranlagen. "Hier geht es nicht alleine um Biodiversität", sagt Karsten Rinke, "das sind keine, Ökospinnereien', es geht um Dienstleistungen, die der Fluss für uns erbringt." Er sei daher dafür, der ökologischen Funktionalität genauso viel Beachtung zu schenken wie der Schifffahrt. Und im Zweifel eher die Schiffe den Flüssen als die Flüsse den Schiffen anzupassen.

Wasser ist keine unbegrenzte Ressource mehr

Nach fünf trockenen Jahren haben sich die Grundwasserstände und Flusspegel in diesem Jahr zwar erholt. Aber eine unbegrenzte Ressource ist Wasser auch in Deutschland nicht mehr. An Verwaltung und Politik werden die verschiedenen Interessen aus Industrie, Schifffahrt sowie den Umweltverbänden mit unterschiedlichen Erwartungen herangetragen.

Thomas Kullick ist so ein Beispiel. Der Sprecher der Chemischen Industrie beklagt "fehlende Manpower" bei den Behörden. Zum Teil warteten Betriebe lange, teilweise Jahre, auf Einleitungserlaubnisse, die intensiv geprüft werden müssten.

Viele Betriebe haben zu viele "Wasserrechte"

Birgit Lutzer ist Wasserexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Auch sie vermisst Aktivität der Behörden, allerdings an anderer Stelle. Eine Recherche habe ergeben, dass die so genannten "Wasserbücher", in denen Behörden Wasserrechte dokumentierten, oft unzureichend geführt würden. "Die Daten waren häufig lücken- und fehlerhaft, Einträge fehlten auch gänzlich", sagt Lutzer.

Die gleiche Erfahrung machte ein Team des Tagesschaupodcasts "11km". Wasserrechte werden zum Teil immer noch für lange Zeiträume vergeben. Zwei Beispiele: Das Bayer-Werk in Uerdingen besitzt Wasserrechte zur Entnahme von 178 Millionen Kubikmeter aus dem Rhein, vergeben bis 2036. Ein anderes Werk in Leverkusen darf seit 1996 zeitlich unbegrenzt insgesamt 2,2 Millionen Kubikmeter Grundwasser im Jahr zu Sicherungszwecken verwenden. Vielen Betrieben würden auf Vorrat zu hohe Wasserrechte gewährt. Manche Firmen benötigten weniger. Der BUND fordert mehr Kontrollen bei der Wassernutzung, kürzere Vergabezeiträume und die Möglichkeit, die Rechte in Absprache mit Betrieben in Dürrezeiten zu reduzieren. "Wasser wird in Deutschland traditionell als unbegrenzte Ressource gesehen", sagt Lutzer.


„Für Tesla wird die Trinkwassermenge einer Kleinstadt vorgehalten.“
Karolina Drzewo, Bündnis "Tesla den Hahn abdrehen"

Dass die Betriebe Wasserrechte auf Vorrat beantragen, verteidigt VCI-Sprecher Thomas Kullick: "Die Betriebe wollen sich natürlich die Freiheit bewahren, wenn ein großer Auftrag reinkommt, dann auch liefern zu können." Den Vorstoß des BUND nach, wie er sagt, "Sommergenehmigungen" findet er schwierig. Für einen Betrieb sei das ein sehr problematisches Szenario, wenn Genehmigungen nicht langfristig vergeben und jederzeit wegen einer Dürreperiode widerrufen werden könnten. Schon heute beschränke die Industrie freiwillig oder auf Anordnung der Behörden ihre Produktion. Weitere bürokratische Beschränkungen halte er nicht für nötig.

Kritik an Tesla für zu hohen Wasserverbrauch

Seit März 2022 produziert das US-Unternehmen Tesla im brandenburgischen Grünheide Elektroautos. Die Initiative "Tesla den Hahn abdrehen" (TdHa) protestiert gegen eine geplante Erweiterung des Werks. Die Initiative kritisiert unter anderem Gefährdungen durch chemische Substanzen für die Trinkwasserversorgung durch Havarien und den hohen Verbrauch an Trinkwasser. Die Fabrik steht mitten in einem Trinkwasserschutzgebiet. "Für Tesla wird die Trinkwassermenge einer Kleinstadt vorgehalten", sagt Karolina Drzewo vom Bündnis TdHa.

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Der US-Elektroautobauer Tesla hat Vorwürfe über mangelnden Umweltschutz zurückgewiesen. "Für die Giga-Produktion pro Fahrzeug werden nur 2,28 Kubikmeter Wasser benötigt", schrieb Tesla-Manager Rohan Patel beim Portal X (vormals Twitter). Das sei ein Drittel weniger als der Branchendurchschnitt, der bei 3,68 Kubikmeter Wasser liege. Der Autobauer verwerte nach eigenen Angaben fast sein gesamtes Schmutzwasser aus der Autoproduktion wieder. Dadurch werde mehr Frischwasser als ursprünglich kalkuliert gespart.

Nach Auskunft des Umweltministeriums Brandenburg hätten andere Industrieunternehmen einen deutlich höheren Wasserverbrauch. Das meiste Wasser benötige demnach das Kraftwerk in Jänschwalde mit 44,9 Millionen Kubikmeter Wasser, gefolgt von dem Abfallverwerter EEW in Premnitz (23 Millionen Kubikmeter), der PCK-Raffinerie in Schwedt (13,6 Millionen Kubikmeter) sowie den beiden Papierwerken Leipa, ebenfalls in Schwedt (zusammen 10,6 Millionen Kubikmeter). Allerdings verbraucht Tesla statt der ursprünglich genehmigten 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser lediglich 500.000 Kubikmeter. Die Gemeindevertretung stimmte der Erweiterung des Tesla-Werks im Mai zu. Dennoch gilt Grünheide als aktuelles Beispiel dafür, wie widerstreitende Interessen von Ökologie und Industrie zu Konflikten um die Ressource Wasser führen.