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Über 28 Jahre lang trennte die Berliner Mauer Ost- und West-Berlin. Als die DDR am 9. November die Grenzen öffnet, ist die Freude über das Ende der Teilung groß.

Chronik der Wende : Der Mauerfall im Detail

Fluchtwellen, Massendemonstrationen und eine friedliche Revolution: Nach über 28 Jahren öffnet die DDR am 9. November 1989 ihre Grenzen. Der Mauerfall im Zeitstrahl.

04.11.2025
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"Die Mauer [...] wird in fünfzig und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben", hat DDR-Staatsratsvorsitzender und SED-Parteichef Erich Honecker noch Ende Januar 1989 erklärt. Wenige Monate später - am 9. November 1989 - werden die Grenzgänge geöffnet und die Mauer fällt. Der Anfang vom Ende der DDR, die am 3. Oktober 1990 die deutsche Wiedervereinigung mit der BRD offiziell feiert.

Frühjahr 1989: Honecker bekräftigt Beständigkeit der Mauer

SED-Generalsekretär Erich Honecker erklärt am 19. Januar, die Mauer werde "in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sind".

Die Mai-Kommunalwahl

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Seit dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 versuchen immer wieder Menschen aus zu der DDR zu fliehen; einige Versuche enden tödlich. Der 20-jährige Chris Gueffroy wird bei einem Fluchtversuch am 6. Februar von DDR-Grenzern erschossen. Es sind die letzten Todesschüsse an der Berliner Mauer. Am 3. März verletzt sich ein 32-Jähriger, der mit einem Ballon aus der DDR flüchtet, beim Absturz über West-Berlin tödlich.

Bei den DDR-Kommunalwahlen am 7. Mai überwachen Bürger die Stimmenauszählung in den Wahllokalen und können Differenzen zwischen den von ihnen mitgezählten und den später bekannt gegebenen Ergebnissen belegen. In Ost-Berlin und anderen Städten wird fortan am 7. jeden Monats gegen die Wahlfälschung demonstriert.


Sommer 1989: Fluchtwellen über Ungarn

Um den 15. Juli herum berichtet die westdeutsche Presse über eine zunehmende Fluchtwelle von DDR-Bürgern über Ungarn nach Österreich.

In mehreren diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik im Ostblock, darunter in Budapest und Ost-Berlin, halten sich Ende Juli mehr als 150 ausreisewillige DDR-Bürger auf, die so ihre Ausreise in den Westen erzwingen wollen. Am 1. August setzt die DDR Reiseerleichterungen für Besucher aus dem Westen in Kraft.

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Vor der deutschen Botschaft in Budapest informieren sich DDR-Bürger am 17. August 1989 auf einer Landkarte über den Verlauf der grünen Grenze. Nach der Öffnung der ungarischen Grenze am 11. September fuhren in den ersten 24 Stunden über 10.000 Übersiedler nach Österreich.

Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, die von rund 130 DDR-Bürgern besetzt ist, wird am 8. August geschlossen.

Bis zu 100 DDR-Bürgern gelingt täglich die Flucht von Ungarn nach Österreich. Die Botschaft der Bundesrepublik in Budapest, in der sich mehr als 170 Fluchtwillige aufhalten, wird am 14. August geschlossen. In der Nacht zum 11. September öffnet Ungarn schließlich seine Grenze zu Österreich für DDR-Bürger.

Auch in Prag harren im Sommer 1989 tausende DDR-Bürger auf dem Gelände der bundesdeutschen Botschaft aus. Am 30. September verkündet Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) auf dem Balkon die Botschaft: "Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise..." Der Rest ging im Jubel unter. 


Herbst 1989: Zehntausende protestieren und skandieren “Wir sind das Volk”

Bis zu 20.000 Menschen nehmen an der Montagsdemonstration am 2. Oktober in Leipzig teil. Die Volkspolizei greift ein; es gibt Verletzte. Erstmals, so sollte sich später ein Demonstrationsteilnehmer erinnern, wurde bei dieser Demonstration "Wir sind das Volk" gerufen.

Im sächsischen Plauen gehen am 7. Oktober in einer Großdemonstration tausende Bürger für Reformen auf die Straße. Am Abend demonstrieren Jugendliche vor dem Palast der Republik in Ost-Berlin. Wie am folgenden Abend kommt es in Ost-Berlin und anderen Städten zu schweren Übergriffen der Sicherheitskräfte und zu Massenfestnahmen.

Der 9. Oktober ist der "Tag der Entscheidung" in Leipzig, wo rund 70.000 Menschen für Reformen demonstrieren. Die befürchteten gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den aufmarschierten Kräften von Staatssicherheit und Volkspolizei bleiben aus.

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Wie in zahlreichen anderen Städten der DDR demonstrieren im Herbst 1989 tausende Menschen auf den Karl-Marx-Platz in Leipzig.

Der Machtkampf im SED-Politbüro am 17./18. Oktober endet mit Honeckers Sturz. Egon Krenz, neuer SED-Generalsekretär, kündigt an, "einen Gesetzentwurf über Reisen von DDR-Bürgern ins Ausland vorzubereiten".

Am 23. Oktober gehen 300.000 Demonstranten in Leipzig und Zehntausende in weiteren Städten auf die Straßen.

Der DDR-Staatsrat verkündet am 27. Oktober eine Amnestie für Flüchtlinge und Demonstranten. Am 4. November demonstrieren auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz fast eine Million Menschen für demokratische Reformen und freie Wahlen. Die genehmigte Veranstaltung ist die bis dahin größte Kundgebung in der DDR.

Am 7. November tritt der DDR-Ministerrat zurück. Das Politbüro tritt am 8. November geschlossen zurück; dem neuen Politbüro gehört auch Hans Modrow an, den die SED als Ministerratsvorsitzenden vorschlägt.


9. November 1989: Die Mauer fällt

Am 9. November überschlagen sich dann die Ereignisse. Um 9 Uhr erarbeiten Offiziere des DDR-Innenministeriums und der Staatssicherheit gemäß einem Politbüro-Auftrag eine neue Ausreisereiseregelung. Der Reiseregelungs-Entwurf wird um 12 Uhr an den Ministerrat weitergeleitet.

Um 16 Uhr verliest SED-Generalsekretär Krenz im SED-Zentralkomitee den Reiseregelungs-Entwurf, der ihm als Beschlussvorlage des Ministerrates einschließlich Pressemitteilung vorliegt. Gegen 17:30 Uhr gibt Krenz beide Papiere an ZK-Sprecher Günter Schabowski.

Kurz vor 19 Uhr gibt Schabowski während einer Pressekonferenz die neue Reiseregelung bekannt. "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen […] beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt". Die Volkspolizeikreisämter seien angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen. Auf die Frage, ab wann die Regelung in Kraft tritt, antwortet Schabowski: “Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort. Unverzüglich.”

Laut Lagebericht der Volkspolizei um 20:15 Uhr haben sich insgesamt 80 Ost-Berliner an den Grenzübergängen Bornholmer Straße, Invalidenstraße und Heinrich-Heine-Straße eingefunden; um 21:30 Uhr sind es am Grenzübergang Bornholmer Straße bereits zwischen 500 und 1.000 Menschen. Zu dieser Zeit erfährt Kohl nach einem Staatsbankett in Warschau von den Ereignissen in Ost-Berlin.

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Nach der Öffnung der Grenzen passieren in der Nacht zum 10. November 1989 Tausende Menschen den Übergang an der Bornholmer Straße in Berliner Stadtteil Wedding.

In Bonn tagt an dem Abend der Deutsche Bundestag unter Leitung von Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD). Die Abgeordneten erfahren während einer Debatte von den Geschehnissen in Ost-Berlin und stimmen spontan die Nationalhymne an. 

Nach der ZK-Tagung erreicht Krenz gegen 22 Uhr ein Anruf von Stasi-Chef Erich Mielke, der ihn über die Lage an der Grenze informiert. Krenz lässt "den Dingen freien Lauf", ohne einen ausdrücklichen Befehl zu erteilen.

In den ARD-"Tagesthemen" um 22:42 Uhr sagt Moderator Hanns Joachim Friedrichs : "Dieser 9. November ist ein historischer Tag: Die DDR hat mitgeteilt, daß ihre Grenzen ab sofort für jedermann geöffnet sind. Die Tore in der Mauer stehen weit offen." Eine Liveschaltung zum Grenzübergang Invalidenstraße zeigt dagegen, dass dieser geschlossen ist. Dennoch setzt nach der Sendung ein Massenansturm auf die Übergänge ein.

In der Bornholmer Straße beschließt Oberstleutnant Harald Jäger um 23:30 Uhr angesichts des Andrangs, den Übergang zu öffnen. Tausende Menschen laufen über die Brücke und werden auf der West-Berliner Seite begeistert begrüßt. Bis gegen Mitternacht wird die Öffnung aller Berliner Übergänge erzwungen, teilweise von West-Berlinern. Im Laufe der Nacht testen rund 12.000 Menschen in Berlin den Wahrheitsgehalt der Maueröffnung. In beiden Teilen der Stadt kommt es zu überschwänglichen Freudenszenen. Zwischen 1.00 Uhr und 2.00 Uhr überwinden tausende West- und Ost-Berliner die Mauer am Brandenburger Tor.

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