Vor 70 Jahren : "Bannmeilengesetz" soll die Verfassungsorgane schützen
Um die wichtigsten Verfassungsorgane zu schützen, darf ab Juli 1955 nicht mehr in deren Nähe demonstriert werden: das Parlament verabschiedete das Bannmeilengesetz.
Mit dem Ende der Besatzungszeit verabschiedete der Bundestag am 7. Juli 1955 ein Gesetz zum Schutz der Verfassungsorgane. Um die Sitzungsorte vom Bundestag und Bundesrat und auch dem Bundesverfassungsgericht wurde eine Grenze gezogen, in der weder öffentliche Versammlungen noch Aufzüge stattfinden durften. Verstöße gegen das "Bannmeilengesetz" wurden bis 1999 als Straftat verfolgt, was eine Freiheitstrafe von bis zu fünf Jahren bedeuten konnte.

Der "Marsch nach Bonn" der IG-Bergbau im Jahr 1959: Aufgrund des "Bannmeilengesetzes" durften diese und viele weitere Demonstrationen nicht um den Bonner Bundestag oder Bundesrat herum stattfinden.
In deutschem Gebiet entstand die erste Bannmeile 1848, die jedoch nur bei Gefahren Demonstrationen im Umkreis des Parlamentes verbot. Nachdem dieses Gesetz 1918 abgeschafft wurde, entstand zwei Jahre später das "Reichsgesetz über die Befriedung der Gebäude des Reichstages und der Landtage" zum körperlichen Schutz der Abgeordneten und zum Verhindern von Störungen. Grund dafür waren damals der misslungene, rechtsradikale Kapp-Putsch, bei dem es zu blutigen Kämpfen vor der Nationalversammlung kam. Nach 1933 wurde die Versammlungsfreiheit durch die Reichstagsbrandverordnung aufgehoben, und somit auch das Bannmeilengesetz ungültig, bis es 1955 vom Bundestag wieder aufgenommen wurde.
Nach Umzug nach Berlin: Verstoß gegen das Gesetz wird zur Ordnungswidrigkeit
Mit dem Umzug 1999 nach Berlin mussten die Abgeordneten entscheiden, ob das Verbot noch gerechtfertigt war. Seitdem sind Versammlungen in den "befriedeten Bezirken" unter der Voraussetzung möglich, dass Verfassungsorgane nicht behindert werden. Dies ist meist in sitzungsfreien Wochen der Fall, wobei weitere Auflagen möglich sind. Statt einer Straftat ist der Verstoß nun eine Ordnungswidrigkeit, bei der beispielsweise ein sechsminütiger Aufzug fast 636 Euro kosten kann.
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