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Wirtschaftsstandort DDR : Dem Untergang nahe

Devisenknappheit und katastrophale Produktionsstätten: Kurz vor dem Mauerfall stand die DDR vor dem wirtschaftlichen Ruin - und einem ökologischen Desaster.

28.07.2014
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5 Min

Die DDR war eine der zehn wirtschaftsstärksten Industrienationen der Welt. So sagten es ihre offiziellen Statistiken, und so glaubte man es weithin auch im Westen. Wesentlich näher kam der Wahrheit, was Günter Mittag, in der SED-Führung für Wirtschaft zuständig, 1991 in einem "Spiegel"-Interview sagte: "Ohne die Wiedervereinigung wäre die DDR einer ökonomischen Katastrophe mit unabsehbaren sozialen Folgen entgegengegangen, weil sie auf Dauer allein nicht überlebensfähig war."

Hintergrund

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Dass die DDR der Bundesrepublik ökonomisch weit unterlegen war, war nicht zu übersehen. Als Grund wurde oft der Marshallplan der USA für die Westzonen einerseits, die Demontage von Industrie und Infrastruktur durch die Sowjets in der Ostzone andererseits genannt. Auf Dauer gab aber etwas anderes den Ausschlag: Die Soziale Marktwirtschaft auf der einen, die zentralistische Planwirtschaft auf der anderen Seite und damit die unterschiedlichen Möglichkeiten für die Menschen in Ost und West, ihre Fähigkeiten zu entfalten.

In der DDR herrschte Devisenknappheit

Die Arbeitskräfte waren überall im Ostblock gut qualifiziert, besser als in manchen westeuropäischen Staaten. Und wo die Kräfte gebündelt wurden, waren auch Spitzenleistungen möglich, wie in der Raumfahrt und der Rüstung. Aber auch nur dort. 

Noch bevor der Volkswagen-Konzern den Golf auf den Markt brachte, hatten die Ingenieure in Eisenach ein ähnliches Modell entwickelt, doch die zentrale Wirtschaftslenkung sah sich außer Stande, die Produktionskette auf all die neuen Komponenten umzustellen. Es fehlte an konkurrenzfähigen Exportgütern, gleichzeitig mussten Produkte und Rohstoffe, die es im östlichen Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) nicht gab, importiert werden. Beides zusammen führte überall im RGW zu chronischer Devisenknappheit. Zusätzlich hemmten die Kosten eines überdimensionierten Militär-, Sicherheits- und Staatsapparats die wirtschaftliche Entwicklung.

Foto: picture-alliance / dpa

Arbeiter vor einem völlig verrosteten Anlagenteil in einem Chemiewerk bei Bitterfeld. Die Stadt galt zur Wende als dreckigste Europas.

Seit Mitte der 1970er Jahre versuchte Kreml-Chef Leonid Breschnew durch massive Aufrüstung mit nuklearen Mittelstreckenraketen, Westeuropa von den USA abzukoppeln, was erhebliche Mittel verschlang, aber durch die Nato-Nachrüstung vereitelt wurde. Gleichzeitig steigerte der US-Verbündete Saudi-Arabien seine Ölproduktion massiv und drückte so den Ölpreis, was die wichtigste Devisenquelle der Sowjetunion, den Öl- und Gasexport, hart traf. 

Als die klamme UdSSR 1983 ihre Erdöllieferungen an die DDR von ursprünglich zugesagten 19 auf 17,1 Millionen Tonnen pro Jahr senkte, war das für die DDR ein schwerer Schlag. Die SED-Führung hatte den ökonomischen Kollaps vor Augen. Doch der oberste "Devisenbeschaffer" der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski, handelte mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) einen Milliardenkredit aus - was in dessen Partei erheblichen Unmut verursachte.

DDR hätte 1991 die Zahlungsunfähigkeit gedroht

Der Milliardenkredit brachte der DDR nur eine Atempause, das Geld für die dringend nötige Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur fehlte nach wie vor. Luft hätte nur eine Kürzung von Sozialleistungen und Subventionen, etwa für Lebensmittel, oder ein Abbau des Staats- und Funktionärsapparats verschaffen können. 

Aber Ersteres schied aus (berechtigter) Angst vor Unruhen aus, Letzteres aus Prinzip. So verweigerte sich die SED-Führung jenen Reformen, in denen der neue sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow spätestens nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 die letzte Möglichkeit zum Machterhalt der KP sah.


„Allein ein Stoppen der Verschuldung würde im Jahre 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25-30 Prozent erfordern und die DDR unregierbar machen.“
DDR-Staatsplanungschef Gerhard Schürer

Im Mai 1989 erklärte Staatsplanungschef Gerhard Schürer einem Expertenkreis des SED-Politbüros, die Westverschuldung der DDR nehme gegenwärtig ummehr als 500 Millionen D-Mark im Monat zu. Setze sich diese Entwicklungen fort, sei der Staat 1991 zahlungsunfähig. Schürer hatte schon Mitte der 1970er Jahre vor einer rasant steigenden Verschuldung bei westlichen Banken gewarnt. 

Treuhandanstalt stand 1990 vor großen Herausforderungen

Nach dem Sturz Erich Honeckers beauftragte der neue SED-Generalsekretär Egon Krenz eine Arbeitsgruppe unter Schürers Leitung mit der schonungslosen Analyse der finanziellen und wirtschaftlichen Lage der DDR. In diesem am 30. Oktober 1989 vorgelegten "Schürer-Papier" heißt es: "Allein ein Stoppen der Verschuldung würde im Jahre 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25-30 Prozent erfordern und die DDR unregierbar machen." 

Zu den Ursachen der wirtschaftlichen Schwäche zählt das Papier unter anderem den katastrophalen Zustand der Produktionsanlagen, "woraus sich ein überhöhter und ökonomisch uneffektiver Instandhaltungs- und Reparaturbedarf ergibt", sowie "das Missverhältnis zwischen produktiven und unproduktiven Kräften in der gesamten Wirtschaft und im Überbau".


„Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“
Erich Honecker

Ein vernichtendes Bild der Konkurrenzfähigkeit der DDR-Wirtschaft ergibt die Abschlussbilanz der 1990 von der Volkskammer eingesetzten Treuhandanstalt. Hatten ihre Chefs anfangs noch mit einem Industrievermögen der DDR von etwa 600 Milliarden D-Mark gerechnet, so stand am Ende 1994 ein Defizit von 204 Milliarden. Zwar hat diese Bilanz auch andere Ursachen als nur den Zustand der Produktionsstätten, beispielsweise das Wegbrechen von Absatzmärkten im Osten, doch Letzteres lag ja auch daran, dass es um den Rest des RGW-Raums nicht besser stand.

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Auch die Infrastruktur war zur Wendezeit in einem katastrophalen Zustand. Das Straßen- und Schienennetz war im Wesentlichen auf dem Stand vor dem Zweiten Weltkrieg. In vierzig Jahren DDR wurden lediglich die Autobahn Berlin-Hamburg sowie ein Abstecher von dort nach Rostock neu gebaut. Auf manchen Autobahnabschnitten war Höchsttempo 50 vorgeschrieben. Die Pflasterung innerorts stammte oft aus dem 19. Jahrhundert. Zugfahrten dauerten meist länger als zur Kaiserzeit. Telefonanschlüsse gab es zum Ende der DDR gerade mal zehn für 100 Einwohner, im Westen waren es fünf mal so viele.

Fehlender Umweltschutz hatte Folgen für Natur und Mensch

Schlimmer noch war der Zustand der Umwelt. Monika Maron beschrieb 1981 in ihrem Roman "Flugasche" die Schornsteine des Braunkohlekraftwerks in Bitterfeld, "die wie Kanonenrohre in den Himmel zielen und ihre Dreckladung Tag für Tag und Nacht für Nacht auf die Stadt schießen, nicht mit Gedröhn, nein sachte wie Schnee, der langsam und sanft fällt, der die Regenrinnen verstopft, die Dächer bedeckt, in den der Wind kleine Wellen weht". 

Bitterfeld galt als dreckigste Stadt Europas. Aber ähnliche Kanonenrohre bombardierten die Menschen vielerorts. Da überall das Geld fehlte, war für Umweltschutz, der keine Devisen einbrachte, erst recht nichts übrig.

Nicht nur die Atemluft war verschmutzt, auch das Wasser. Viele Flüsse waren ökologisch tot. Für die erste gesamtdeutsche Gewässergütekarte musste für sie sogar eine zusätzliche Güteklasse "ökologisch zerstört" eingeführt werden. Erich Honecker lieferte zu alledem am 14. August 1989 bei der Übergabe von Prototypen eines neuen Mikrochips den passenden Kommentar: "Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf."

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