finanzen : Lust auf Europa
Scholz: Möglichkeiten sind nicht unendlich
Deutschland und Europa zukunftsfest machen - unter dieses Motto stellten die Koalitionsredner ihre Ziele in der Haushalts- und Finanzpolitik in der neuen Legislaturperiode. Denn trotz glänzender Haushalts- und Wirtschaftszahlen bleibt für die Politik noch jede Menge zu tun. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte am Donnerstag im Rahmen der Aussprache über die Regierungserklärung der Kanzlerin, die große Aufgabe demokratischer Politik müsse aber auch sein, nicht nur dafür zu sorgen, dass es dem Land gut gehe, "sondern jedem von uns. Nur wenn uns das gelingt, sind wir auch wirklich erfolgreich."
Scholz bekannte sich ausdrücklich zum Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts ("Schwarze Null"). In den vergangenen Jahrzehnten seien zu viele Schulden gemacht worden, die jetzt abgebaut werden müssten. Angesichts der guten Zahlen gebe es auch Spielraum "für all die Dinge, die notwendig sind". Neben höheren Investitionen in Infrastruktur, Wissenschaft und Forschung sprach Scholz aber auch soziale Maßnahmen an wie die gebührenfreie Betreuung in Kitas und Ganztagsangebote in Schulen, um den dringend notwendigen Fachkräftebedarf zu realisieren. Investitionen für den sozialen Zusammenhalt seien die Erhöhung des Kindergeldes und des Kindergeldzuschlags sowie die Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Scholz bekannte sich zur Senkung des Solidaritätszuschlags: 2021 werde es eine Entlastung in Höhe von zehn Milliarden Euro geben.
"Wir haben als Deutsche mitten in Europa ein ganz zentrales nationales Interesse, dass Europa funktioniert und diese Europäische Union eine Zukunft hat", erklärte Scholz. Im Angesicht von Brexit, drohenden Handelsrestriktionen und einem schwierigen Verhältnis zu Russland müsse die EU zukunftsfest gemacht werden. Dazu gehöre die Weiterentwicklung des Euro-Rettungsschirms ESM in Richtung eines Währungsfonds. Der Finanzminister bekannte sich auch zur Erhöhung der deutschen EU-Beiträge vor allem wegen des EU-Austritts von Großbritannien, schränkte jedoch zugleich ein: "Wir wissen, dass unsere Möglichkeiten nicht unendlich sind."
Ralph Brinkhaus (CDU) unterstützte den Finanzminister. Erstmals seit 50 Jahren gebe es jetzt wieder Spielräume für Gestaltungen: "Wir können mit Freude an die nächsten dreieinhalb Jahre herangehen und wir können Lust auf Zukunft machen." Es werde investiert in Infrastruktur und Bildung. "Wir wollen die Mitte der Gesellschaft stärken, denn das hält die Gesellschaft zusammen." Auch Brinkhaus bekannte sich klar zur europäischen Einigung: "Wir sind bereit, in Europa zu investieren, um Europa zukunftsfest zu machen, denn wir werden in Deutschland nicht gut leben können, wenn unsere Nachbarn nicht gut leben können." Brinkhaus versicherte aber auch: "Wir werden kein Geld für Europa ausgeben, um Strukturen zu sichern, die schlecht, nicht zukunftsfähig und nicht nachhaltig sind."
Die Wünsche im Koalitionsvertrag würden den Spielraum bei weitem übersteigen, konterte Christian Dürr (FDP) die Behauptungen der Koalitionsredner zur Solidität der Haushaltspolitik. Über 20 Milliarden Euro Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag seien nicht finanziert. Zu den bereits wieder steigenden Zinsen und ihren belastenden Wirkungen auf den Haushalt habe Scholz nichts gesagt (siehe auch Grafik). Dürr verlangte einen Schuldentilgungsplan. Er beklagte, dass die Senkung des Solidaritätszuschlags für "die hart arbeitende Mitte der Gesellschaft" zu gering ausfalle.
100 Milliarden Investitionslücke Fabio De Masi (Linke) kritisierte das Festhalten an der "Schwarzen Null": "Wer rechnen kann weiß: Ob schwarze Null oder rote Null, es kommt immer null heraus." Bei niedrigen Zinsen müsse investiert werden. Und das sei auch notwendig: "Die Investitionslücke bei Krankenhäusern, Schulen oder Wohnraum beträgt 100 Milliarden Euro jährlich." Dafür müssten keine neuen Kredite aufgenommen werden. De Masi verlangte angesichts der großen Ungleichheit der Vermögen eine Vermögensteuer für Millionäre und Milliardäre.
Auf "das langsame Ende der Ära Merkel" sei diese Koalition ausgerichtet, stellte Anja Hajduk (Grüne) fest. Wichtige Zukunftsfragen würden daher nicht beantwortet - angefangen von der Klimapolitik bis zu Europa. Hajduk verlangte mehr Geld für wirklich bedürftige Familien und einen Abbau von klimaschädlichen und wettbewerbsschädlichen Subventionen.
Für Peter Boehringen (AfD) zeigen die hohen Einnahmen des Bundes nur die Effekte des Gelddruckens der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB habe ein gewaltiges konjunkturelles Strohfeuer angezündet: "So was kann niemals nachhaltig sein." Auch auf der Ausgabenseite bestehe ein absoluter Ausnahmezustand, da es durch die Eingriffe der EZB fast keine Zinsbelastung mehr gebe. "Das Ergebnis ist die beste aller Scheinwelten", kritisierte Boehringer, der der Regierung vorwarf, Bürgschaften und Garantien in Milliardenhöhe für Eurorettung und Europa nicht in der Haushaltsplanung berücksichtigt zu haben. Boehringer warnte vor der europäischen Einlagensicherung und sprach von "wahnwitzigem Transfersozialismus mit deutschen Sparerbillionen".