Piwik Webtracking Image

Debatte zum Nachtragshaushalt : Schlagabtausch nach Rollenwechsel

Die FDP - nunmehr Regierungspartei - verteidigt den geplanten Nachtragshaushalt 2021. Die Union - neuerdings Oppositionspartei - hält ihn für verfassungswidrig.

20.12.2021
2023-09-27T11:07:51.7200Z
3 Min

Union und FDP befinden sich nach ihrem politischen Rollentausch in einer komplizierten Lage. Während die Liberalen als Mitglied der Bundesregierung Vorhaben umsetzen wollen, die sie zuvor als Oppositionsfraktion noch kritisiert haben, lehnt die Union in der Opposition das ab, was sie in Regierungsverantwortung selbst initiiert hat. Beleg dafür war die Debatte zum Nachtragshaushalt 2021 (20/300) in der vergangenen Woche.

Zuerst war Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) an der Reihe und musste die Überführung von nicht ausgegebenen 60 Milliarden Euro aus den für 2021 geplanten Coronakrediten in den Energie- und Klimafonds (EKF) verteidigen, obwohl seine Fraktion in der Oppositionsrolle ein ähnliches Agieren der Großen Koalition noch scharf kritisiert hatte. Das Vorgehen sei richtig, weil auch die wirtschaftliche Entwicklung einen "Booster" benötige. Gerade jetzt seien öffentliche Investitionen und die Förderung privater Investitionen, die die Transformation einer der größten Industrienationen hin zur Klimaneutralität befördern, entscheidend. Lindner betonte, es gehe nicht darum allgemeine Projekte der Ampelkoalition oder etwa Staatskonsum zu finanzieren. "Die Mittel des Fonds werden zielgerichtet eingesetzt für transformative Investitionen."

Für Christian Haase (CDU) sind das Taschenspielertricks. In einer wundersamen Wandlung würden Coronakredite zu Klimakrediten. Die FDP sei sowohl in den Wahlkampf als auch in die Sondierungsgespräche mit der klaren Linie gegangen, es werde kein Aufweichen der Schuldenbremse geben. "Wollen Sie dieses Versprechen mit ihrem ersten Gesetzentwurf brechen?", fragte Haase. Es sei offensichtlich, dass die Schuldenbremse mit diesem "waghalsigen Manöver" ausgehebelt werde. Die Ampel verfolge damit das Ziel, den Verschuldungsspielraum in den nächsten Jahren vollkommen unabhängig von Corona zu erhöhen. "Ich halte diesen Nachtragshaushalt für verfassungswidrig", sagte er.

"Reine Realsatire"

Von unseriösen Tricks, die einer Bundesregierung unwürdig seien, sprach Peter Boehringer (AfD) - teilte aber auch in Richtung Union aus. Die FDP habe ihr jetziges Vorgehen in ihrer Zeit als Oppositionsfraktion noch als verfassungswidrig bezeichnet. Die Union wiederum sei heute in der Opposition überzeugt davon, dass ihr analoges Vorgehen in der Regierung nun plötzlich rechtswidrige Finanzakrobatik sei. CDU und CSU wollten offenbar ihr eigenes Tun nachträglich per Klage vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. "Das ist reine Realsatire", so Boehringer.

Sven-Christian Kindler (Grüne) warf allein der Union Heuchelei und Doppelmoral vor. Was die Ampel plane, sei dem, was die Große Koalition 2020 getan habe, "sehr ähnlich". Der Bundestag habe 2020 und 2021 gemeinsam mit der Bundesregierung Kredite in erheblichem Umfang zur Bewältigung der Corona-Pandemie bereitgestellt. Diese Gelder seien für die Stabilisierung des Gesundheitssystems gedacht gewesen - und explizit auch für öffentliche Investitionen. "Diesen breiten Konsens sollte die Union in der Opposition jetzt nicht aufkündigen", sagte Kindler.

Dennis Rohde (SPD) sprach davon, Brücken in die Zukunft schlagen zu wollen. "Wir erleben weltweit, dass die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Transformation zugenommen hat", sagte er. Viele Länder setzten darauf, CO2-neutral zu werden. Auch in Deutschland müssten die Voraussetzungen geschaffen werden, CO2-neutral zu produzieren, "um wettbewerbsfähig zu bleiben". Das koste Geld und sei der Grund, weshalb der Energie- und Klimafonds zu einem Klima- und Transformationsfonds weiterentwickelt werden müsse.

Das "Täuschungsmanöver" des Finanzministers hat aus Sicht von Gesine Lötzsch (Linke) nur einen Grund. "Sie brauchen dringend Geld und wollen nicht die Steuern für die Vermögenden erhöhen." SPD und Grüne dürften dabei nicht mitmachen, verlangte Lötzsch und plädierte für eine Vermögensabgabe der reichsten 0,7 Prozent der Bevölkerung.