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Wirtschaft im Krieg : Die Bänder stehen still

Die Folgen des Krieges belasten deutsche Unternehmen. Minister Habeck kündigt umfangreiche Hilfen an.

07.03.2022
2024-03-04T10:58:16.3600Z
4 Min
Foto: picture-alliance/dpa/ZB/Sebastian Kahnert

Der Volkswagen-Konzern hat den Export seiner Autos nach Russland vorübergehend eingestellt.

Sanktionen, Lieferstopps, vorübergehende Standortschließungen: Auch wenn Russland als das flächenmäßig größte Land der Welt mit seinen rund 144 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern nicht Deutschlands wichtigster Handelspartner ist, so haben der Angriff auf die Ukraine durch die russische Armee und die Reaktionen darauf dennoch einen massiven Einfluss auf die deutsche Wirtschaft.

Während viele Branchen weiterhin mit den Folgen der Corona-Pandemie kämpfen, verstärkt der Krieg in Europa bereits bestehende Probleme. Die ohnehin hohen Energiepreise werden weiter steigen und die vorhandenen Lieferengpässe werden sich weiter verschärfen, da sind sich Wirtschaftsfachleute allerorten einig.

Doch nach Einschätzung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) kann Deutschland die Belastungen schultern. Die Hoffnung sei zwar gewesen, ab dem zweiten Quartal 2022 einen stärkeren Aufschwung zu sehen, sagte Habeck Ende vergangener Woche. Doch alle Unternehmen würden die Sanktionen gegen Russland voll mittragen.

Eine Rezession in Deutschland wird es laut Habeck nur geben, sollte die Produktion zum Erliegen kommen. Der Wirtschaftsminister kündigte zudem ein Kreditprogramm der Förderbank KfW an. Das Programm solle ähnlich gestaltet werden wie KfW-Hilfen in der Corona-Pandemie.

Export und Import

Zwar ist Deutschland weniger vom Handel mit Russland abhängig als umgekehrt. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass es auf die Art der Güter ankommt, die im- beziehungsweise exportiert werden. Während deutsche Unternehmen vor allem hochtechnische Endprodukte nach Russland liefern, ist die Wirtschaft hierzulande in hohem Maß von Rohstoff-Importen aus Russland abhängig. Nach Angaben der German Trade and Invest, der deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing, waren Erdöl und Erdgas mit 32,6 respektive 28,6 Prozent die am häufigsten aus Russland importierten Güter im Jahr 2020 (Anteil am Gesamtimport von 21,5 Milliarden Euro). Doch auch Metalle sind ein wichtiger Rohstoff, auf den Deutschland angewiesen ist. Wie "Der Spiegel" berichtet, sind sogenannte Nichteisen-Metalle zusammen mit Eisen und Stahl neben den Energieträgern die einzigen relevanten Güter im Export nach Deutschland und machten 2020 rund zwölf Prozent aus.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kappte Ende vergangener Woche bereits seine Exportprognose für das laufende Jahr. Das bisher angenommene deutsche Exportwachstum von sechs Prozent für 2022 sei nicht mehr zu schaffen, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.

Russland droht mit Verstaatlichung

Doch nicht nur hierzulande bekommt die Wirtschaft die Folgen des Krieges zu spüren. Auch die deutschen Unternehmen in Russland sind vom Einmarsch von Putins Armee in das Nachbarland beeinträchtigt. Der Chef der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK), Matthias Schepp, äußerte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur die Befürchtung, dass sich nun immer mehr deutsche Unternehmen aus Russland zurückziehen könnten.

Laut Schepp war bereits im Jahr 2021 ein Rückgang um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten, was unter anderem an den seit 2014 bestehenden Sanktionen und den ohnehin schwierigen Geschäftsbedingungen in Russland liege. Nach Angaben russischer Steuerbehörden waren zuletzt noch 3651 Firmen mit deutschem Kapital im Land tätig. In den vergangenen zehn Jahren hätten sich aber bereits 42 Prozent der deutschen Unternehmen aus ihren Geschäften zurückgezogen. AHK-Chef Schepp fügte hinzu, dass die jüngsten Drohungen russischer Politiker, das Eigentum westlicher Unternehmen zu verstaatlichen, diesen Effekt noch verstärken könnten.

Autozulieferer vom Krieg betroffen 

Große Wucht entfaltete die Meldung, dass der VW-Konzern die Produktion seiner Autos in Russland und den Export aller Marken seines Konzerns - dazu gehören unter anderem Audi, Seat, Skoda und Porsche - in das Land "bis auf weiteres" einstellt. Weil wichtige Teile fehlen, die die Autobauer von Zulieferern aus der Ukraine bekommen, drohen auch die Bänder anderer Automobilkonzerne stillzustehen. Wie das "Manager Magazin" berichtete, fehlen in der Autoproduktion vor allem Kabelsätze und Bordnetze des Zulieferers Leoni. Dieser hatte bislang in der Westukraine produziert. Nach Angaben des Branchenverbandes VDA unterhalten deutsche Unternehmen der Automobilindustrie 49 Fertigungsstandorte von Zulieferern und Herstellern in der Ukraine und Russland. Die Einschränkungen machten sich auch an den Börsen bemerkbar: Der Index für den europäischen Autosektor fiel in der Spitze um 3,2 Prozent auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr. Im Dax verlieren Porsche, Continental, Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz zwischen 5,5 und drei Prozent.

Folgen für die Landwirtschaft 

Nach Angaben des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) war für das laufende Jahr davon ausgegangen worden, dass Russland und die Ukraine zusammen rund 100 Millionen Tonnen Weizen und Mais exportieren. Das entspricht einem Anteil von rund 25 Prozent der weltweiten Exporte. Während Staaten in Nordafrika, Asien und im Nahen Osten durch den Lieferausfall bei Weizen und Mais massive Probleme in der Nahrungsmittelversorgung bekommen könnten, sieht die Situation für Deutschland in diesem Punkt besser aus.

"Deutschland und die Europäische Union sind nicht zwingend auf Importe aus dieser Region angewiesen", sagte DRV-Geschäftsführer Henning Ehlers. Deutschland habe bei Weizen einen Selbstversorgungsgrad von mehr als 100 Prozent; "das ist in der aktuellen Situation sehr beruhigend", fügte Ehlers hinzu. Doch obwohl sich die weltweite Teuerung für Weizen kaum auf den deutschen Brotpreis durchschlagen werde, sieht es laut DRV im Futtermittelbereich anders aus, da noch große Mengen Mais in der Ukraine und Russland lagerten, die jetzt auf dem internationalen Markt fehlten.

Außerdem gehören beide Länder zu den Hauptproduzenten von Sonnenblumenkernen und -öl, Fachleute rechnen bei diesen Produkten mit Engpässen und Preissteigerungen. Der Deutsche Bauernverband befürchtet wegen Lieferproblemen unter anderem von Dünger und Saatgut damit, dass die Frühjahrsbestellung der Äcker nicht mehr möglich sein wird.

Fluggesellschaften müssen Routen ändern

Die Airlines hatten mit Ausblick auf eine abflauende Pandemie auf eine Erholung ihrer Branche gehofft. Doch da aufgrund der Luftraumsperrungen Russland nicht mehr an- und überflogen werden kann, müssen die Fluggesellschaften ihre Routen umplanen und Ausfälle im Verkehr von und nach Russland verkraften. Auf den Alternativrouten von Europa nach Japan, Korea und China erhöhen sich Flugzeiten und Kerosinverbrauch. Die Lufthansa hatte eigentlich ein starkes Reisejahr erwartet, sieht aber im Krieg eine große Unsicherheit für die erhoffte Erholung, wie Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr mitteilte. Elena Müller