Piwik Webtracking Image

Reform der Antidiskriminierungsstelle : Künftig soll der Bundestag die Leitung stellen

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist gefragt wie nie, gleichzeitig fehlt es an Mitteln und Personal. Die Ampelkoalition will sie nun reformieren.

11.04.2022
2024-01-15T12:07:12.3600Z
3 Min

Mehr zu tun hat es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) noch nie zuvor gegeben: 2020 erreichten die zentrale Anlaufstelle für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, 6.383 Beratungsanfragen. Im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 78 Prozent. Haupttreiber war laut Jahresbericht der Stelle die Corona-Pandemie. Trotzdem arbeitet die ADS nur mit halber Kraft: Es fehlt an Personal und Budget. Seit vier Jahren ist zudem die Leitung aufgrund von Rechtsstreitigkeiten vakant, geführt wird sie nur kommissarisch. Ein Umstand, den Betroffenenverbände, aber auch Bündnis 90/ Die Grünen in der Vergangenheit als Oppositionsfraktion heftig kritisiert hatten.

Gemeinsam mit den Koalitionspartnern SPD und FDP haben sie nun mit ihrem Entwurf zur Änderung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes einen Vorstoß zur Änderung des Besetzungsverfahrens vorgelegt. Das Ziel: Künftig soll es nach dem Willen der Ampelkoalitionäre der Bundestag sein, der die Leiterin oder den Leiter der Antidiskriminierungsstelle wählt.

Bundesregierung soll Vorschlagsrecht behalten

Ein Novum, bestimmte doch bislang das Bundesfamilienministerium, wer an der Spitze der organisatorisch zum Haus gehörenden Stelle stehen soll. Das Vorschlagsrecht für die unabhängige Bundesbeauftragte - oder den unabhängigen Bundesbeauftragten - für Diskriminierung soll die Bundesregierung aber behalten, gewählt werden soll auf fünf Jahre.

Die Leitung der ADS solle so gestärkt und unabhängiger werden, erklärte dazu der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Sven Lehmann (Grüne), während der ersten Lesung des Gesetzentwurfs in der vergangenen Woche. Die Wahl durch den Bundestag sei eine "klare Aufwertung für dieses so wichtige Amt". Die ADS sei schließlich "die zentrale Anlaufstelle", die Informationen, Beratung und Expertise biete. Doch dies sei erst der erste Schritt auf dem Weg zu einem "umfassenden Diskriminierungsschutz", kündigte Lehmann an. Im Koalitionsvertrag habe sich die Ampel auf eine weitreichende Reform der AGG verständigt.

Opposition zweifelt am Erfolg einer gesetzlichen Änderung

Für die Opposition ein willkommener Anlass zu Kritik: Mareike Lotte Wulf (CDU) befand den Entwurf als "ersten Aufschlag" für zu schwach und den Zeitpunkt übereilt. Im Kern gehe es doch nur um eine "Personalie". Anne Janssen (CDU) bezweifelte zudem, ob die Ampel die angestrebte Stärkung der Leitungsposition über ein Wahlamt erreichen werde. Sachverständige seien ebenfalls skeptisch. In einer Experten-Anhörung werde man dies im weiteren parlamentarischen Verfahren klären.


„Wir setzen das mit Priorität um, weil die Stelle seit 2018 vakant ist. “
Gyde Jensen (FDP)

Harsch auch das Urteil von Gereon Bollmann (AfD): Nur weil das Familienministerium zu einem "rechtmäßigen Auswahlverfahren" nicht in der Lage sei, müsse kein Gesetz geändert werden. Faktisch ändere sich zudem nichts: "Die Exekutive hält die Fäden nach wie vor in der Hand."

Gökay Akbulut (Linke) erkannte zwar an, dass die Wahl der Leitung durch den Bundestag "größere Transparenz" schaffen werde. "Das ist ein Fortschritt." Dennoch bleibe der Entwurf hinter den Anforderungen des Evaluierungsberichts zum AGG zurück. Die Stelle sei, anders als dort empfohlen, keine eigenständige oberste Bundesbehörde, was langfristig ihre Unabhängigkeit gesichert hätte, kritisierte die Abgeordnete. Auch die Befugnisse blieben unverändert. So könne der Entwurf die Erwartungen nicht erfüllen.

Rednerinnen der Koalitionsfraktionen sprechen von einem Zwischenschritt

Rednerinnen von SPD, Grünen und FDP verteidigten den Entwurf hingegen als dringend nötigen Zwischenschritt: "Wir setzen das mit Priorität um, weil die Stelle seit 2018 vakant ist und aufgrund der unsicheren Rechtslage nur kommissarisch besetzt ist", erklärte Gyde Jensen (FDP).

Josephine Ortleb (SPD) drängte zur zügigen Umsetzung weiterer Reformen: Die ADS brauche mehr Ressourcen, um die Zusammenarbeit mit den Ländern "flächendeckend" auszubauen und "Schutzlücken" zu schließen, sagte sie. Der Rechtsschutz müsse verbessert werden. Dies unterstrich auch Shahina Gambir (Grüne): Betroffene bräuchten eine Anlaufstelle, die "nicht nur ein Feigenblatt ist".