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Sondervermögen für Aufrüstung : Bedingt zustimmungsbereit

Die Ampel müht sich, CDU/CSU für das Sondervermögen für die Bundeswehr zu gewinnen. Die Union hat aber noch Bedenken und Forderungen.

02.05.2022
2024-03-04T17:02:53.3600Z
4 Min

Koalition und Union stehen erneut vor schwierigen Verhandlungen. Nach der Einigung über die Waffenhilfe für die Ukraine geht es jetzt um die Ausrüstung der eigenen Streitkräfte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in seiner "Zeitenwende"-Regierungserklärung am 27. Februar ein hundert Milliarden Euro schweres "Sondervermögen" neben dem regulären Verteidigungshaushalt angekündigt, für das die Schuldenbremse des Grundgesetzes nicht gelten soll. Um das Grundgesetz entsprechend zu ändern, fehlt der Koalition allerdings die Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Deshalb warben die drei Regierungsfraktionen bei der ersten Lesung der Gesetzentwürfe zum Sondervermögen nebst Grundgesetzänderung vergangene Woche um die Stimmen der CDU/CSU-Opposition.

Foto: picture-alliance/dpa/photothek/Janine Schmitz

Kein Stillstand: Die Koalition hat große Pläne für die Bundeswehr, braucht aber die Unterstützung der Union.

In einer Debatte voller geschichtlicher Bezüge betonte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), man müsse "kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen, und deshalb muss die Bundeswehr ertüchtigt werden". Er wisse, dass das viele, wenn nicht alle Abgeordneten der CDU und CSU ebenso sehen. Deshalb könne er sich nicht vorstellen, dass nur ein Teil von ihnen der Grundgesetzänderung zustimmt. Damit spielte er auf Überlegungen an, die Union könne nur so viele Ja-Stimmen abgeben, wie der Koalition zu einer eigenen Zwei-Drittel-Mehrheit fehlen, was im Fall von Abweichlern auf ein Scheitern hinausliefe. Lindner stellte die anstehende "Richtungsentscheidung" in einen "historischen Zusammenhang mit dem Nato-Doppelbeschluss". Diesen hatte unter der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt die damalige CDU/CSU-Opposition mitgetragen, während er in Schmidts eigener SPD-Fraktion umstritten war.

Union kritisiert Formulierung im Gesetzentwurf

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mache allerdings geltend, in den vorliegenden Gesetzentwürfen seien "wesentliche Punkte der Ankündigung des Bundeskanzlers nicht umgesetzt". Denn dieser habe hundert Milliarden für "Rüstungsvorhaben" der Bundeswehr angekündigt "und für nichts anderes". Der vorliegende Formulierungsvorschlag lasse aber auch viele andere Verwendungen zu. Zudem habe Scholz angekündigt, zusätzlich im regulären Verteidigungshaushalt das Zwei-Prozent-Ziel der Nato überzuerfüllen. Das aber sei in der Haushaltsplanung des Finanzministers "schlichtweg nicht berücksichtigt". Und schließlich vermisste Dobrindt einen Tilgungsplan für das schuldenfinanzierte Sondervermögen.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) begründete die offenere Formulierung im Gesetzentwurf damit, dass die hundert Milliarden nicht allein für große Rüstungsprojekte benötigt würden, sondern beispielsweise auch für persönliche Schutzausrüstung der Soldaten. Zudem fehle allein Munition für zwanzig Milliarden Euro. Ausdrücklich lobte Lambrecht die Ernsthaftigkeit, mit der die Unions-Opposition mit der Regierung über Waffenhilfe für die Ukraine gesprochen habe, und mahnte diese Ernsthaftigkeit nun auch für die Entscheidung über das Sondervermögen an. Ergänzend verwies Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) darauf, dass die aus dem Sondervermögen zu finanzierenden Aufgaben nicht nur durch die eigene Verteidigungsfähigkeit, sondern auch durch die Bündnisfähigkeit definiert würden. Neben Aufgaben im Rahmen der Nato und der Europäischen Union müsse Deutschland auch seiner Verantwortung in den Vereinten Nationen gerecht werden können.

AfD unterstützt das Ziel, sieht den Weg aber kritisch

Für die AfD-Fraktion unterstützte Peter Boehringer ausdrücklich das Ziel, das die Koalition verfolgt. Der Weg über das Sondervermögen allerdings sei haushalts- und verfassungsrechtlich bedenklich. Die Verfassung werde missbraucht, indem ein konkreter Haushaltsbetrag in sie hineingeschrieben werde. Das Verfahren erinnere ihn an das Septennats-System, mit dem Reichskanzler Otto von Bismarck vor 130 Jahren den Wehretat für mehrere Jahre festgeschrieben und damit der parlamentarischen Kontrolle entzogen habe. In ähnlicher Weise solle nun die parlamentarische Kontrolle zwar nicht abgeschafft, aber doch eingeschränkt werden. Nach Boehringers Ansicht gehören die hundert Milliarden regulär in den Kernhaushalt eingestellt. Ausdrücklich gegen eine Aufstockung der Mittel für die Bundeswehr stellte sich allein die Fraktion Die Linke. "Die Konsequenz, die die Bundesregierung aus diesem schrecklichen Krieg zieht, ist absolut falsch", erklärte ihre Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali. Noch nie in der Geschichte der Menschheit habe Wettrüsten Frieden und Sicherheit gebracht. Bereits heute gäben die Nato-Staaten das Siebzehnfache von Russland für Rüstung aus, aber "das hat Putin nicht abgeschreckt". Wenn die Bundeswehr nicht einsatzfähig sei, so nicht wegen zu wenig Geld, "sondern wegen schlechten Managements".

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Eine Schärfe kam in die in weiten Teilen sachliche Debatte, als Achim Post (SPD) der Union vorhielt: "Sie müssen sich entscheiden, was Sie wollen: Staatstheater oder Staatsräson?" Johann Wadephul (CDU) reagierte darauf mit den Worten: "Da sind wir ja fast schon bei vaterlandslosen Gesellen" - ein Bismarck zugeschriebenes, damals auf die Sozialisten gemünztes Wort. Die Union lasse sich aber nicht unter Druck setzen. Ihre Gesprächsbereitschaft bestehe fort, "auch wenn die heutige Debatte eine Einigung schwieriger gemacht hat".